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Spanischer Starrichter Garzón vor GerichtRegierung klagt ihren Richter an

Richter Baltasar Garzón steht vor Gericht, da er den größten Korruptionsfall der regierenden Volkspartei aufklären will. Dem Richter wird Rechtsbeugung vorgeworfen.

Der angeklagte Richter Baltasar Garzón beim Verlassen des Gerichtsgebäudes in Madrid. Bild: dapd

MADRID taz | Spaniens Starrichter Baltasar Garzón sitzt seit Dienstag auf der Anklagebank. Garzón wird "Rechtsbeugung" vorgeworfen: Er habe bei der Untersuchung des wohl größten Korruptionsfalles der spanischen Demokratie gegen ein Netzwerk rund um die regierende konservative Partido Popular (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy Gespräche zwischen Anwälten und Mandanten mit dem Ziel abgehört, das Verfahren zu beeinflussen. Die Kläger, die in den nächsten Monaten wegen Korruption vor Gericht stehen werden, fordern 17 Jahre Berufsverbot für Garzón.

Eine Verurteilung wäre das Ende für Spaniens mutigsten Richter, der in seinen 22 Jahren am obersten Strafgerichtshof Spaniens, der Audiencia Nacional, Ermittlungen gegen Drogenkartelle, die ETA und deren Umfeld, sowie gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Lateinamerika und gegen die Verbrechen der Franco-Diktatur in Spanien selbst führte.

International bekannt wurde Garzón 1998, als er einen Haftbefehl gegen den ehemaligen chilenischen Diktator Pinochet erließ.

Garzón bestreitet nicht das Abhören der PP-Politiker in den Korruptionsermittlungen. Die Anwaltsgespräche mit den Beschuldigten in der U-Haft seien mitgeschnitten worden, da die Gefahr bestand, dass das Netzwerk mit Hilfe der Anwälte Beweise vernichtet und Konten leert, auf die Millionen Euro aus öffentlichen Kassen geschafft worden waren.

Der "Caso Gürtel"

"Solide Indizien deuteten darauf hin, dass einige Anwälte in die Geldwäsche verstrickt waren", sagt Garzón. Die Struktur der Unternehmen und ihre Verzweigung in Steuerparadiese "belegte, dass die Beschuldigten in der Untersuchungshaft weiterhin verbrecherisch tätig waren, um weiter Geld zu waschen", sagt Francisco Baena, der Anwalt Garzóns.

Das Abhören wurde sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von Garzóns Nachfolger im "Fall Gürtel" für rechtens befunden.

"Caso Gürtel" war der Tarnname der Untersuchungen in der korrupten konservativen Regionalregierung von Valencia, da der Hauptbeschuldigte Francisco Correa heißt - der Nachname bedeutet auf Deutsch "Gürtel".

Garzón selbst ordnete an, dass die Abhörprotokolle nicht benutzt werden dürfen, um die Verteidigung der Angeklagten zu behindern.

Diesmal ist es anders

Es ist das erste Mal, dass sich ein Richter wegen eines mutmaßlichen Verfahrensfehlers der Anklage der Rechtsbeugung ausgesetzt sieht.

Normalerweise werden Abhörprotokolle, sollten sie sich als nicht rechtmäßig erweisen, in der Hauptverhandlung als Beweismittel nicht zugelassen. Strafrechtliche Konsequenzen für den Ermittlungsrichter hatte dies bisher nie. Für den Prozess sind bisher drei Verhandlungstage angesetzt.

Kommende Woche wartet ein weiteres Verfahren auf Garzón. Die Kläger - drei faschistische Organisationen - beschuldigen Garzón, die Verbrechen der Franco-Diktatur untersucht zu haben, obwohl er wusste, dass er nicht zuständig war. Sie fordern 20 Jahre Berufsverbot.

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2 Kommentare

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  • KK
    Karl K

    Danke für das missing link.

     

    Mir war bisher nicht klar, wie Garzón sein "Übergehen" des Amnestiegesetzes begründet:

    " Verbrechen gegen die Menschlichkeit";  geht klar.

     

    Somit kann von Rechts wegen der Rechtsbeugungsvorwurf in der Sache keinen Erfolg habe.

    Denn als " abwegige Rechtsmeinung

    ( was immer das sein soll)",

    wird man das kaum einordnen können.

    Aber " vor Gericht und auf hoher See...", daß weiß Garzón am besten.

     

    Aber auch sonst  kann dennoch der Vorwurf sein Ziel, Garzón kaltzustellen, erreichen. Zumal von außen betrachtet, es immer wieder verwundert, daß Garzón bei seinem Zuschnitt es so lange " so weit" gebracht hat.

     

    In der Bundesrepublik hat der Vorwurf der Rechtsbeugung als Disziplinierungsmittel  erst dann fröhliche Urständ gefeiert, als die letzten nazibelasteten Richter - wie z.B.  der Freislerbeisitzer am Volksgerichtshof Frehse -ausgeschieden waren.

     

    Es betraf dann z.B. den Richter in Dortmund, dessen Ehefrau in der DKP war. Oder den Richter im Sauerland, der den Aufruf " Juristen für den Frieden" unterschrieben hatte.

    Da wird gepopelt und rumgeschnüffelt, daß es eine Art hat.

    Die meist abstrusen und haarig begründeten Vorwürfe gehen zwar meist wie das Hornberger Schießen aus. Aber die Nerven liegen blank und " semper aliquid heret" und das schüttelt sich nicht so leicht aus der Jacke.

     

    Dass Garzón bei konservativen wie fortschrittlichen Kollegen " als unliebsam" gilt, ist weniger seiner

    " Asterix-in-Spanien-tauglichen " Arroganz geschuldet.

    Sondern zeigt, dass die sog. Conceil-Lösung, die echte Selbstverwaltung der Richter ( wie zuerst in Italien erkämpft) nicht alle Probleme löst, sich insbesondere mit brillianten, kompromißlosen  Einzelgängern schwer tut.

     

    Man darf also weiterhin gespannt sein.

    " Venceremós" werden ihm doch schon der ein oder andere zurufen.

  • RW
    Rainer Winters

    Garzón klagt die Franco-Untaten an. Da Franco genau wie Mao zumindest für die homophoben Spanier ein volksmythologischer Held ist, bekommt der Richter jetzt Probleme.

     

    Bevor das Thema Franco nicht bis ins Detail geklärt ist, wird Spanien weiter dahindümpeln. Genau wie Deutschland seinen eigenen zeitgenössischen Nationalsozialismus durch Überbetonung des Leistungsprinzip ("Arbeit macht frei") aufzuarbeiten hat, um eine Selbstverständlichkeit seiner Staatlichkeit zu erreichen, muss Spanien in den kritischen Dialog gehen. Garzón auf diese Weise anzuklagen, bewirkt das Gegenteil. Ja Spanien läuft in Gefahr, Francos Unrechtsregime auf gleiche Weise zu leugnen wie die Türkei den Völkermord an den Armeniern.

     

    Ohne diesen selbstkritischen Dialog hat die EU keine Überlebenschance. Wirksam würde diese These im Falle eines wirtschaftlichen Niedergangs, der alte Reflexe hervorrufen mag. Der Beginn ist dieser Prozess.