Spanischer Komödienstadl

Der Streit um die Schiedsrichter sorgt in einer sportlich wenig aufregenden Liga für Unterhaltung  ■  P R E S S - S C H L A G

Sportlich gesehen ist seit dem letzten Wochenende in der spanischen Liga Langeweile angesagt. Real Madrid besiegte im Estadio Bernabeu den Lokalrivalen Atletico mit 3:1. Die Königsweißen stehen jetzt mit sechs Punkten Vorsprung einsam und fast schon uneinholbar an der Tabellenspitze. Dafür sind die spanischen Schiedsrichter ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.

Die simple Fehlentscheidung eines Schiedsrichters hat eine Krise ausgelöst, von der selbst hohe Funktionäre nicht verschont geblieben sind. Dabei hatte alles so harmlos angefangen. Am 30.Dezember 1989 pfiff Schiedsrichter Brito Arceo im Spiel Barcelona vs. Sevilla eine Viertelstunde vor Spielschluß einen Elfmeter gegen die Heimmannschaft. Eine Fehlentscheidung, denn das Foulspiel fand fast zwei Meter außerhalb des Strafraums statt. Das war noch kein Grund zur Panik: Barcelona führte zu diesem Zeitpunkt noch mit 3:1. Die Mannen von Trainer Johann Cruyff waren danach jedoch völlig von der Rolle und verloren das Spiel schließlich mit 3:4.

Spätestens nach dem Abpfiff muß Arceo seinen Fehler bemerkt haben. Fluchtartig verließ er das Stadion unter einem Hagel von allen möglichen Gegenständen, die die empörten Zuschauer auf das Spielfeld warfen. Doch konnte er noch nicht wissen, welche Kette von Ereignissen seine Entscheidung nach sich ziehen würde. In der Pressekonferenz waren sich nicht nur Präsident und Trainer vom C.F.Barcelona einig: Der Schiedsrichter war schuld an Barcas Niederlage. In der hitzigen Atmosphäre wurde mit derben Worten nicht gegeizt. Brito Arceo sei ein „Stümper“ und „Versager“, sein Verhalten müsse bestraft werden. Der Präsident von Barcelona, Javier Clemente, wurde am nächsten Tag noch deutlicher. „Dieser Schiedsrichter ist ein Fußballfeind. So etwas muß eliminiert werden.“

Brito Arceo hatte inzwischen die Videoaufzeichnung gesehen: Nun gut, er habe sich geirrt, aber daran sei jetzt nichts mehr zu ändern. Real Madrids Trainer Peter Toshack nahm Arceo in Schutz: „Die können nicht verlieren. Warum gibt Cruyff nicht zu, daß seine Mannschaft einfach schlecht gespielt hat.“ Niederlagen könne man nicht mit Schiedsrichterfehlentscheidungen entschuldigen. Pikant: Mister Toshack hat selbst vor zwei Monaten einen gegen Real Madrid fälschlicherweise verhängten Elfmeter dafür verantwortlich gemacht hat, daß seine Mannschaft aus dem Europapokal geflogen ist.

Der Zoff ging weiter. Mitte letzter Woche meldete sich der Präsident des nationalen spanischen Schiedsrichterverbands zu Worte. Das Verhalten Brito Arceos sei unverantwortlich und mit einer Sperre zu belegen. Hätte Jose Plaza doch nur den Mund gehalten. Seine Äußerungen heizten die ohnehin schon gereizte Stimmung nur noch weiter an: „Herr Plaza hat seinerseits unverantwortlich gehandelt, wenn er seine persönliche Meinung vor der endgültigen Entscheidung glaubt, kundtun zu müssen“, sagte der Präsident des spanischen Fußballverbandes, Angel Javier.

An jenem Wochenende trafen sich auch die spanischen Verbände der Schiedsrichter. Einige Verbände stellten sich geschlosen hinter Plaza, andere waren sich uneinig, und fünf Landesverbände forderten (wie auch inzwischen A.Javier) den Rücktritt von Plaza. Der andalusische Schiedsrichterverband drohte sogar mit einem eventuellen Streik bis zur endgültigen Klärung der Situation. Dessen Präsident brachte es auf den Punkt: „Es geht doch nicht um Arceo und seine Entscheidung. Hätten Madrid oder Barcelona durch eine Fehlentscheidung gewonnen, so hätte sich niemand aufgeregt. Hier muß endlich einmal Klarheit geschaffen werden.“

Klar ist seit letztem Montag nur, daß Arceo keine Strafe aufgebrummt bekommt, und Jose Plaza blieb gelassen: „Ich bleibe so lange im Amt, bis ich eine Mehrheit gegen mich habe. Dann, und nur dann, bin ich bereit, zu Saisonende oder meinetwegen auch sofort zu gehen.“ Ein Ende ist nicht abzusehen.

Auch einige spanische Fußballfans und -spieler tragen zum nichtsportlichen Spektakel bei: Am Wochenende schlug bei einem Zweitligaspiel ein Spieler dem Schiedsrichter so ins Gesicht, daß dieser mit einem Kieferbruch ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte; anderswo hinterließ der gezielte Wurf einer Münze eine zwei Zentimeter lange Wunde, die genäht werden mußte.

Werner Jürgens