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Spanischer Bürgerkrieg als VideospielWas willst du sein - Faschist oder Milizionär?

Das Videospiel "Schatten des Krieges" ist ein virtueller Kampf im spanischen Bürgerkrieg. Bessere Geschichtsstunde, nennt der Hersteller das. Kritiker sind entsetzt.

Auftakt zum Zweiten Weltkrieg: der Spanische Bürgerkrieg am Bildschirm. Bild: sombrasdeguerra

MADRID taz "Heute, mit der faschistischen Armee in Gefangenschaft und entwaffnet, hat die Republikanische Armee ihre letzten militärischen Ziele erreicht. Der Krieg ist vorbei!" Nein, so war es nicht, als am 1. April 1939 der spanische Bürgerkrieg zu Ende ging. Nicht die Verteidiger der Republik sondern die aufständischen Faschisten unter General Francisco Franco zogen siegreich nach Madrid ein. Spanien versank fast 40 Jahre in einer dunklen Diktatur.

Doch wer gut genug mit Maus und Tastatur umgeht, der kann ab nächster Woche die Geschichte radikal ändern. Dann kommt das Videospiel "Schatten des Krieges: Der Spanische Bürgerkrieg" (s. Link) der Firma Legend Studio aus dem südspanischen Málaga auf den Markt". Der Computerfreund sucht aus, welcher Seite er im Bruderkrieg angehören will, den "Republikanern" oder den "Nationalen". Zehn Episoden aus dem Bürgerkrieg - von der Schlacht in Aragón bis zur Einnahme von Madrid kann er dann nachspielen.

Neben den spanischen Faschisten und Milizionären kämpfen auf dem Bildschirm die internationalen Brigaden, aber auch die italienischen Faschisten und die deutsche Legion Condor. Und der Krieg kann tatsächlich eine entscheidende Wende zugunsten der Verteidiger der verfassungsmäßigen Ordnung nehmen, falls es einer Republikanerin gelingt, ihrem Hauptquartier die genauen Stellungen der Legion Condor mitzuteilen.

"Ein Spiel ist die beste Art den Krieg zu erzählen, denn wenige Jugendliche werden ein Buch in die Hand nehmen, um zu erfahren, was damals geschah. Außerdem ist es schwer ein Buch zu finden, das nicht für die eine oder andere Seite Partei ergreift", erklärt der Chef der Spielefirma Legend Studio, Francisco Pérez. "Schatten des Krieges" sei so objektiv wie nur irgend möglich. "Wir haben lange in Archiven nach Material gesucht", berichtet Pérez. Schließlich sollte alles so originalgetreu wie möglich werden. Zwei Jahre Arbeit und eine Million Euro hat "Schatten des Krieges" gekostet.

"Wir wollen mit dem Spiel keine alten Wunden öffnen", versichert Pérez. Aber genau das scheint geschehen zu sein. In Zeiten, in denen die Politik ein nicht unumstrittenes Gesetz zum Gedenken an die Opfer des Bürgerkrieges und der Diktatur verabschiedet hat, gerät auch "Schatten des Krieges" ins Kreuzfeuer der Kritik. So stört es viele, das die aufständischen Truppen Francos als "Nationale" bezeichnet werden. "So nannten sie sich selbst", beschwert sich die Tochter des ersten durch die Franquisten im Bürgerkrieg standrechtlich Erschossenen, Carlota Leret. "Es waren Falangisten, reaktionäre Offiziere, Monarchisten, die spanische radikale Rechte ...", fügt sie in einer Erklärung gegenüber der Tageszeitung El País hinzu. Die Spieledesinger verteidigen sich. Die Franquisten Aufständische oder Rebellen zu nenne, hätte bei der jungen Generation und beim internationalen Publikum keiner verstanden.

Auch in den Internetforen für Spielefreaks (s. Link) wird ohne Unterlass debattiert. "Ich glaube nicht, dass ich so etwas spielen kann ... Angehörige von mir sind im Krieg gestorben", schreibt ein 20-Jähriger aus Katalonien. "Ganz Spanien geht das so. Das ist, als würde sich eine britischer Jugendlicher weigern, ein Spiel über den Zweiten Weltkrieg anzufassen, weil jemand aus seiner Familie dabei gestorben ist", entgegnet jemand aus "Toledo (Stadt des Imperiums)". "Und falls ich spiele, welche Seite nehme ich? Werde ich Republikaner und erschieße meine Großvater väterlicherseits, oder werde ich Nationaler und erschiesse meinen Großvater mütterlicherseits?", fragt ein anderes Forumsmitglied.

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1 Kommentar

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  • HT
    Holger Tilicki

    Es ist mit allen PC-Kriegsspielen so: Man kann es auf die Kriegshandlung reduzieren und sich fragen, warum macht es eigentlich Spass überhaupt Krieg zu spielen und es verdammen - oder möglicherweise tatsächlich über die Spielhandlung auch Wissen über das Sujet zu vermitteln. Ich spiele z.B. IL-2 Sturmvik, ein im 2. Weltkrieg angesiedelter Flugsimmulator. Man kann hier für z.B. die sowjetische genauso wie die deutsche Seite fliegen. Für jemanden, der geschichtsinteressiert und flugbegeistert ist, eine feine Sache. Man wird sich, wenn man mit dem entsprechenden Bewußtsein ausgestattet ist auch nicht zu sehr damit identifizieren, aber möglicherweise ist es auch eine Gradwanderung zwischen dem Ernst und der Tragödie eines echten Krieges und seinem Unterhaltungswert. Aber gilt das nicht für jeden Kriegsfilm?