Spaniens gescheiterte Regierungsbildung: Die Rechnung muss nicht aufgehen
Die Sozialisten in Madrid haben es darauf angelegt, dass die Koalitionsverhandlungen mit Podemos scheitern. Ihr Egoismus könnte sich rächen.
D ie gescheiterte Regierungsbildung in Spanien zeigt, die Sozialisten unter Pedro Sánchez leben in der Vergangenheit, als sich zwei große Parteien an der Regierung ablösten. Meist waren dies Minderheitsregierungen, sie regierten mit Unterstützung anderer, kleiner Formationen. Doch das ist Geschichte, seit im spanischen Parlament die linksalternative Unidas Podemos (UP) und auch die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) sitzen. Wer jetzt regieren will, braucht Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft. Denn nur in einer Koalition liegt der Weg zur Mehrheit.
Genau das hat Sánchez noch nicht gelernt. Nach seinem Wahlsieg im April ließ er über zwei Monate verstreichen, bevor er überhaupt mit UP Kontakt aufnahm. Dann bot er seinem „bevorzugter Partner“ – wie er die Partei um Pablo Iglesias gerne nennt – nur wenig an. Eine Koalition sei nicht möglich, da er Iglesias nicht trauen könne. Als sich dieser zurückzog, war wieder Funkstille, bis wenige Stunden vor der Abstimmung Ende Juli ein Angebot kam, das von UP als unzulänglich abgelehnt wurde. Sánchez ließ abermals mehr als einen Monat verstreichen, um nach der Sommerpause noch weniger anzubieten als im Juli.
Wenn Sánchez jetzt behauptet, er habe alles getan, um eine Regierung zu bilden, ist dies schlicht falsch. Er hat alles getan, um Neuwahlen herbeizuführen. Denn für November sagen die Umfragen den Sozialisten Zugewinne auf Kosten von UP voraus.
Auf der Linken macht sich Frust breit. Denn während die andere Partei, die einst mit den Sozialisten das Zweiparteiensystem darstellte – die konservative Partido Popular (PP) –, auf regionaler Ebene zügig Koalitionen mit den rechtsliberalen Ciudadanos bildete, geht so etwas auf der Linken nicht. Spanienweit könnte jetzt das Gleiche passieren wie vorigen Dezember im südspanischen Andalusien. Dort blieben die linken Wähler in Scharen den Urnen fern. Die PP regiert nun mit Cs in einer Koalition. Und: Mehrheitsbeschaffer ist die rechtsextreme VOX, die der Regierung geschickt ihre frauenfeindliche und xenophobe Politik aufdrückt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja