Spaniens Mittelfeldlenker Rodri: Unauffällig auffällig
Am Freitag trifft Deutschland bei der EM auf Spanien. Rodri lenkt deren Spiel aus dem hinteren Mittelfeld. Es sucht seinesgleichen im Weltfußball.
Dabei hatte der englische Meister Manchester City nur die drei Spiele in der Saison verloren, bei denen Rodri nicht auf dem Platz stand. Sein Trainer Pep Guardiola hat just in dieser Spielzeit erklärt: „Er ist ein unglaublicher Spieler. Er ist mit Abstand der beste Mittelfeldspieler der Welt, weil er alles kann.“ Doch Guardiola war es auch, der einmal sagte, ein defensiver Mittelfeldspieler, der auffalle, sei kein guter. Die Besten dieser Spezies stehen fast immer im Schatten anderer. Ihnen werden ähnlich wie Priestern die Laster weltlichen Vergnügens untersagt. Das Bedürfnis nach Beachtung etwa haben sie zurückzustellen. Und kaum einer beherzigt das so sehr wie Rodri.
Um die Schönheit seines Spiels zu erkennen, darf man ihn nicht aus den Augen verlieren. Die einzelnen Sequenzen nämlich sind meist unspektakulär. Häufig spielt er kurze Pässe. Aber im Gesamtbild erkennt man, wie häufig er damit Impulse für die spanischen Angriffswellen setzt. Wie er handlungsschnell mit Überblick plötzlich Räume öffnet, das Tempo erhöht oder es bewusst wieder aus dem Spiel nimmt, um die Kontrolle zu bewahren.
Nach der Partie gegen Georgien lobte Spaniens Trainer Luis de la Fuente: „Er ist die Achse von allem, was wir tun.“ Der 28-Jährige hat in den letzten Jahren sein Spiel noch einmal weiterentwickelt. Beispielhaft dafür war auch der so wichtige Ausgleichstreffer gegen Georgien. Von seiner angestammten Zentrumsposition war er erst einmal Dienstleister, bediente Pedri, erhielt den Ball zurück, chippte den daraufhin auf den Fuß von Nico Williams, der mangels Platz wieder Rodri suchte, der dann eine Minilücke im Abwehrbollwerk erkannte und per Distanzschuss selbst abschloss.
Schüler zweier Lehrmeister
Rodri, dessen Karriere im Vergleich zu den Jungstars Williams und Lamine Yamal erst spät in die Gänge kam, hat zuletzt deutlich an offensiven Qualitäten dazugewonnen. Mit acht Toren und neun Vorlagen war er in der vergangenen Saison für Manchester City so effizient wie noch nie. Für sein so komplettes Spiel zahlt sich aus, dass er mit Guardiola den vielleicht besten Offensivtrainer und mit Diego Simeone bei Atlético Madrid den vielleicht besten Defensivtrainer als Lehrmeister hatte.
Bei der Weltmeisterschaft in Katar wurde Rodri noch in die Innenverteidigung beordert, weil die Position im defensiven Mittelfeld vom Ausnahmekönner Sergio Busquets besetzt war. Es ist nicht immer ein Vorteil, wenn man so vieles kann. Auch bei Manchester City spielte Rodri anfangs mitunter als Verteidiger. Es hat jeweils immer ein wenig gedauert, bis er im Schatten anderer glänzen konnte.
Wie gering ausgeprägt Rodris Streben nach Aufmerksamkeit ist, kann man zudem daran ersehen, dass er auf dem Markt der Social-Media-Eitelkeiten nirgends zu finden ist und jenseits des Fußballs kaum Geschichten über ihn bekannt sind.
Auch der deutsche Positionskollege Toni Kroos, der die Erfahrung des Unterschätztseins und später Bewunderung kennt, schwärmte am Donnerstag von Rodri: „Er ist ein Typ, der absolute Ruhe ausstrahlt, der auch unter Druck nicht fehleranfällig ist, was einer Mannschaft immer sehr viel gibt.“ Im Unterschied zu ihm würde er aber in viel zentraleren Räumen agieren.
Als Rodri nach der Partie gegen Georgien von einem Journalisten aufgefordert wurde, das Tor noch einmal zu beschreiben, versicherte er sich kurz beim Journalisten: „Mein Tor?“ Vermutlich hätte er die anderen ebenso gern nüchtern und genau nacherzählt. Der Partie gegen Deutschland blickt er recht emotionslos entgegen. Jede Nationalmannschaft bei der EM spiele auf hohem Niveau, sagte er. Im Fall von Spanien hat das sehr viel mit ihm zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen