Spaniens Männerfußball: Epochales Chaos
Um den coronageplagten Zweitligisten CF Fuenlabrada ist ein Durcheinander des Saisonfinals entstanden. Es riecht nach Vetternwirtschaft.
„Du hast aber ganz dicke“, attestierte Borja Valle, Profi von Deportivo La Coruña, dem spanischen Ligachef Javier Tebas am Sonntag. Gemeint waren wie so oft im Fußball die Testikel, allerdings war die Beschwörung von Grandezza diesmal nicht als Kompliment zu verstehen. Sie unterstellte vielmehr grenzenlose Dreistigkeit.
Vorangegangen war Tebas’ jüngstes Manöver im epochalen Chaos um den coronageplagten Zweitligisten CF Fuenlabrada. Nach tagelanger Funkstille übernahm der Liga-Zampano die Verantwortung für die umstrittene Reise des Madrider Vorstadtklubs zum Spiel im galicischen Coruña. Gleichzeitig erklärte er, Fuenlabrada verzichte nun auf die Austragung des Matches.
Die Partie musste vergangenen Montag abgesagt werden, weil kurz vor Anpfiff etliche Corona-Fälle bei Fuenlabrada auftraten. Mittlerweile sind 28 Spieler oder Betreuer der ersten Mannschaft positiv getestet worden. 20 stehen unter Quarantäne in einem Hotel in La Coruña, der Rest ist zu Hause. Darunter auch die vier Personen, die schon vor der Abreise positiv waren, was außer Liga und Verein allerdings zu diesem Zeitpunkt niemand wusste – weil es die Wissenden nicht kommunizierten.
Das ist der sanitäre Aspekt des Skandals, dazu gibt es einen sportlichen: Obwohl das Match sowohl für das Rennen um dies Aufstiegs-Playoff (wegen Fuenlabrada) wie für den Abstiegskampf (wegen La Coruña) relevant war, wurden die übrigen Partien angepfiffen – dabei schreiben die Richtlinien aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit an den letzten Spieltagen einen gleichzeitigen Anpfiff vor. Deportivo wollte mit einem Sieg noch den Abstieg verhindern, brauchte dafür aber auch günstige Parallelergebnisse. Letztlich musste es tatenlos zusehen, wie die Konkurrenten gewannen.
Die Galicier fordern eine Aufstockung der Liga
Die Galicier fordern nun wie auch der nach dem Chaos des Saisonfinals ebenfalls abgestiegene CD Numancia eine Aufstockung der zweiten Liga von 22 auf 24 Klubs – was Tebas bisher hartnäckig ignoriert. Auch in seiner Erklärung vom Sonntag findet er mitleidige Worte nur für Fuenlabrada: „Der Fußball ist euch etwas schuldig.“ Der Verein selbst beharrt derweil darauf, dass er seinen vermeintlichen Verzicht erst akzeptieren wird, wenn ihn der Wettbewerbsausschuss des Fußballverbandes bestätigt.
Und die Spieler von Fuenlabrada entwarfen gar in ihrer Quarantäne ein Kommuniqué, in dem sie dem Kuhhandel ablehnen und der Liga ihrerseits mit rechtlichen Schritten drohen, „wegen aller Geschehnissen seit dem 18. Juli“ – dem Datum des ersten Positivtests, über den wohl nicht mal die Mannschaft selbst informiert wurde.
Tebas hat alle gegen sich aufgebracht
Tebas, machtbewusster Funktionär und Anhänger der rechtspopulistischen Vox, hat damit endgültig alle Parteien gegen sich aufgebracht. Beziehungsweise: alle außer Elche CF, das durch den Spielausfall von Fuenlabrada auf den sechsten Tabellenplatz sprang und nun am Aufstiegs-Playoff teilnehmen soll. Und vor allem: alle außer seinem Sohn.
Javier Tebas junior ist Aufsichtsratssekretär und Hausjurist des CF Fuenlabrada, weshalb von Anfang an der Verdacht der Kumpanei über der ganzen Angelegenheit schwebt. Als Anwälte wissen die Tebas wohl, dass der Verzicht auf das Spiel und damit auf die Chance zu einem ohnehin unwahrscheinlichen Aufstieg noch das geringste Übel darstellt. Etwa im Vergleich zu dem von Deportivo wegen möglicher Verletzung des Corona-Protokolls beantragten Zwangsabstieg für Fuenlabrada.
Oder gar: der strafrechtlichen Konsequenzen. Zu denen ermittelt etwa die Staatsanwaltschaft von La Coruña, denn es geht ja nicht gerade um Kleinigkeiten. In dem von Tebas junior beratenen Fuenlabrada soll bei der Reise nach La Coruña nicht mal ein Arzt dabei gewesen sein.
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