■ Spanien: Die Anti-ETA-Front bröckelt erwartungsgemäß: Rückkehr in die Normalität
Die „Einheit aller Demokraten gegen den Terrorismus“ hat nicht einmal einen Monat gehalten – nun streiten sich die Parteien in Madrid und Vitoria wieder. Herri Batasuna (HB), die nach ihrer Zustimmung zum Mord an dem konservativen Gemeinderat Miguel Ángel Blanco isoliert werden sollte, kehrt erwartungsgemäß auf die politische Bühne zurück.
Eine dauerhafte Isolierung der ETA-nahen Wahlkoalition können die gemäßigten baskischen Parteien nicht durchhalten. Zu stark ist die baskische Gesellschaft vom Nationalismus geprägt. Und der kennt Essentials, an denen keiner vorbeikommt. Eines davon ist die Haftsituation der Gefangenen, die weit über das radikale Lager hinaus aufmerksam verfolgt wird. Das zeigt die Haltung der Vereinigten Linken (IU). Das bisher zentralistisch eingestellte kommunistische Wahlbündnis hat in den letzten Wochen mehrmals in baskischen Gemeinderäten beim Thema Gefangene mit HB gestimmt. Die Isolierungspolitik gegenüber den Linksnationalisten verurteilte das kommunistische Wahlbündnis gar als eine „Verfolgung wie einst die der Juden durch die Nazis“. Was im Falle IU leicht als Versuch, die marode HB-Basis zu beerben, abgetan werden kann, ist für die gemäßigten baskischen Parteien überlebenswichtig. Ohne harte Sonntagsreden, die Madrid als das Böse verurteilen und am Mythos des nach Freiheit strebenden Baskenlandes stricken, verlören sie viele ihrer Stimmen.
Währenddessen versucht die Madrider Regierung die spontane Empörung nach der Ermordung Blancos in parteipolitischen Erfolg umzumünzen. Härte gegenüber den Gefangenen und eine unsinnige Strafverschärfung bis hin zur Verurteilung von Minderjährigen nach dem Erwachsenenstrafrecht fordert sie. Weil das stark an die rechten Ideen der Alianza Popular, Vorgängerpartei von Aznars Partido Popular, in den Jahren nach Francos Tod erinnert, werden Proteste aus dem Baskenland nicht ausbleiben.
Um die Gewalt zu bekämpfen, muß eine wirkliche Einheit her. Dabei dürfen keine Lösungsansätze ausgeschlossen werden, weder die Rückverlegung der Gefangenen noch Gespräche mit der ETA. Alles andere geht an der baskischen Gesellschaft vorbei. Reiner Wandler
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