: Spaltpilz bei den Vertriebenen
■ Wegen Meinungsverschiedenheiten um deutsch-polnischen Vertrag tritt Hartmut Koschyk zurück
Berlin/München (ap) — Wegen „gravierender Meinungsunterschiede“ mit dem Präsidenten des Bundes der Vertriebenen, Herbert Czaja, ist der Generalsekretär der Organisation, Hartmut Koschyk (CSU), am Sonntag zurückgetreten. Im „Führungstandem“ mit Czaja könne er keine Übereinstimmung in Grundfragen mehr herstellen, sagte Koschyk auf der Bundesversammlung der Vertriebenen im Berliner Reichstag. Czaja lehnt die deutsch- polnischen Verträge kategorisch ab. Koschyk hingegen befürchtet, die Vertriebenenorganisation sei nicht mehr politikfähig, wenn sie die Verträge nicht akzeptiere.
„Ich bin der Überzeugung, daß unser Verband unterschiedliche Standpunkte“ auch in der Führung ertragen können muß, begründete der bisherige Generalsekretär. Er sei gerne bereit, für die Organisation auch künftig „auf der Führungsebene tätig zu sein“, sagte Koschyk. Nach Ansicht von Beobachtern wird es innerhalb des nächsten Vierteljahres zu einer außerordentlichen Versammlung des Vertriebenenbundes kommen, auf der über auch über eine mögliche Ablösung Czajas als Präsident entschieden werden soll.
In seiner Rede hatte Koschyk festgestellt, daß sich seine Organisation mit ihren politischen Vorstellungen nicht habe durchsetzen können. Die Oder-Neiße-Linie als polnische Grenze anzuerkennen, sei „rechtliche Wirklichkeit“ geworden. Die Verbitterung und Enttäuschung unter den Vertriebenen über diese Entwicklung „vermögen politisches Handeln nicht zu ersetzen“, sagte er. Koschyk appellierte an die versammelten Landsmannschaften, „diesen Vertrag jetzt tatkräftig zu nutzen und sich in die Entwicklung der deutsch- polnischen Beziehungen voll und ganz einzubringen“. Die Bundesvesammlung verabschiedete eine Erklärung, in der sie sich „zum geschichtlich notwendigen dauerhaften deutsch-polnischen Ausgleich ohne Selbstpreisgabe“ verpflichteten. Die Vertriebenen setzten darin auf weiterhin beharrliche Verhandlungen mit den Nachbarn: „Unser Ringen um bessere Verträge geht weiter“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen