Spätverkaufe deutschlandweit: Lass ma’ zum Späti gehen
Die Spätverkaufe leiden unter dem Ladenschlussgesetz. Die taz beschreibt, wie es dem Späti, Kiosk, Büdchen, Lädle und Standl geht. Eine Übersicht.
2006 wurde der Ladenschluss Ländersache. Seitdem gehen die Öffnungszeiten durcheinander. In Berlin gehört der Späti längst zur Kiezkultur. Doch weil die Kioske sonntags ihr Sortiment einschränken müssen, gibt es Streit mit dem Ordnungsamt. Einige Läden mussten bereits schließen. Eine Petition kämpft nun für liberalere Regeln. Wie geht es den Spätis in Deutschland?
Hamburg / „Kiosk“
ZAHL: Es gibt 130 klassische Kioske, dazu zählen auch die in Bahnhöfen und Flughäfen. Die meisten sind im südlichen Hamburg-Harburg.
GESETZ: Die Kioske dürfen Montag bis Samstag 24 Stunden öffnen. Nur sonntags müssen sie geschlossen sein. Aber es gibt Ausnahmeregeln für Touristengebiete und Bahnhöfe.
REALITÄT: Die Bezirksämter kontrollieren, doch viele Verstöße scheint es nicht zu geben. Ohnehin öffnen die wenigsten Kioske von Montag bis Samstag rund um die Uhr.
GETRÄNK: Astra. Auf der Reeperbahn außerdem beliebt: Vodka-Bombe (Billigvodka, Billigenergy-Drink und vieeeel Eis).
FUN FACT: In manchen Hamburger Kiosken gibt es nicht nur Bier, Kippen und Gummitiere, sondern auch Kokain. Im Frühjahr nahm die Polizei zwei Brüder fest, die jahrelang in zwei Kiosken in Billstedt und St. Pauli Koks verkauft haben sollen. (pw)
Berlin / „Späti“ – kurz für Spätverkaufsstelle
ZAHL: ca. 1.000
GESETZ: Zwischen Montag, 0 Uhr und Samstag, 24 Uhr darf in Berlin jeder so lange aufhaben, wie er will und verkaufen, was er will. Nur sonntags gibt es Probleme: Zwischen 7 und 16 Uhr dürfen nur Blumen, Printmedien, Backwaren und Milchprodukte verkauft werden. Touristische Angebote und Getränke nur von 13 bis 20 Uhr, Alkohol gar nicht. Die Praxis vieler Spätis, verbotene Waren wie Gemüse, Alkohol oder Tiefkühlpizza mit Tüchern abzudecken, ist nicht rechtens.
REALITÄT: Viele Spätis öffnen sonntags trotzdem, der Tag ist umsatzmäßig zu wichtig. Die Bezirke kontrollieren unterschiedlich, je nach Personal. Kreuzberg und Neukölln gelten als streng, Spandau gilt als lax. 2013 wurden 9.150 Euro Bußgelder eingenommen.
GETRÄNK: Bier, Mate.
FUN FACT: Versuch, im Späti im Wedding alkoholfreies Bier zu kaufen. Antwort: „Gibt’s nich, dit is hier Berlin.“ (aw)
Köln / „Büdchen“
ZAHL: ca. 1.000
GESETZ: In NRW gelten Kioske als Einzelhandel und dürfen an Werktagen bis 0 Uhr, am Samstag bis 22 Uhr, sonntags aber nur fünf Stunden geöffnet sein. Allerdings gibt es Sonderkonzessionen, mit denen die Büdchen als „Trinkhalle“ gelten und unter das Gaststättengesetz fallen. Sie können dann rund um die Uhr geöffnet sein – dürften aber strenggenommen nach 0 Uhr nur Getränke verkaufen. Die Sonderkonzession kostet je nach Größe und Umsatz der Büdchen zwischen 100 und 3.000 €.
REALITÄT: Kaum jemand hält sich daran nachts nur Getränke zu verkaufen. Das Ordnungsamt sieht das angeblich nicht so eng, kontrolliert werde selten. Wer doch erwischt wird, dem droht ein Ordnungsgeld – bei mehrfachen Verstößen der Verlust der Konzession.
GETRÄNK: Kölsch, was sonst? Die beliebtesten sind Reissdorf, Gaffel und Früh. (lou)
Leipzig / „Späti“
ZAHL: ca. 30
GESETZ: Montags bis Samstags dürfen Verkaufsstellen von 6 bis 22 Uhr öffnen. Außerhalb der Zeiten und an Sonn- und Feiertagen ist die Öffnung nur erlaubt, wenn die Läden Printmedien, Blumen, Backwaren oder Milchprodukte verkaufen. Das dürfen sie sonntags zwischen 7 und 18 Uhr für insgesamt sechs, auch aufteilbare, Stunden. Ladenbesitzer können allerdings einen Antrag auf Verkaufsveranstaltungen stellen und dann an fünf Werktagen bis 6 Uhr des Folgetages öffnen. Und: Wenn ein Späti gleichzeitig als „Gaststätte“ angemeldet ist, kann er auch außerhalb der Zeiten geöffnet haben – außer zur Sperrzeit zwischen 5 und 6 Uhr.
REALITÄT: Das Ordnungsamt kontrolliert. Bei Verstoß ist ein Bußgeld zwischen 5 und 5.000 Euro fällig.
GETRÄNK: Lipz Saftschorle in diversen Sorten wie Johannisbeere, Stachelbeere und Rhabarber (afro)
Stuttgart / „Kiosk“, früher auch „Lädle“
ZAHL: 18 laut Gelbe Seiten
GESETZ: Von Montag bis Samstag gibt es keine Ladenschlusszeiten, ein Kiosk darf an Werktagen also 24 Stunden geöffnet sein. Praktisch aber lohnt sich das kaum, da in Baden-Württemberg der Verkauf von Alkohol zwischen 22 und 5 Uhr verboten ist. An Sonntagen müssen Kioske geschlossen bleiben.
REALITÄT: Es gibt keine Schwerpunkt-Kontrollen, die Behörden werden meist auf Anwohnerbeschwerden hin aktiv. Werden Kioskbesitzer bei Sonntagsöffnung erwischt, droht Bußgeld. Bei dauerhaften Verstößen kann ihnen auch das Gewerbe untersagt werden. Dazu ist es in den letzten Jahren allerdings nicht gekommen.
GETRÄNK: Wulle, Stuttgarter Hofbräu.
FUN FACT: Wegen des nächtlichen Alkoholverbots spielen Kioske kaum eine Rolle. Tankstellen umgehen das Verbot, indem sie Alkohol in Becher umfüllen und sich auf ihre Ausschankgenehmigung berufen. (fay)
München / „Kiosk“, auch „Standl“
ZAHL: Kioske, die länger geöffnet haben, werden nicht gesondert erfasst. Mehr als fünf sind es vermutlich nicht. Kommt ein neuer dazu, ist das der Süddeutschen Zeitung einen Artikel wert.
GESETZ: Bayern ist das einzige Bundesland, in dem noch das alte Ladenschlussgesetz aus dem Jahr 2003 gilt. Geschäfte dürfen werktags von 6 bis 20 Uhr geöffnet sein und sind an Sonn- und Feiertagen geschlossen. Amen. Ausnahmen gelten für Tankstellen, Bäckereien und Geschäfte in Bahnhöfen und Flughäfen. Die wenigen Nachtkioske gelten als Gaststätten. Lauf Paragraf 7 des Gaststättengesetzes dürfen sie sogenannte „Zubehörwaren“ im Straßenverkauf an Gäste abgeben, also Flaschenbier, alkoholfreie Getränke, Tabak- und Süßwaren, sowie Getränke und zubereitete Speisen
REALITÄT: siehe oben
GETRÄNK: Augustiner Hell, Tegernseer Hell, Münchner Kindl (maha)
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