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Späth-Nöte bei Radio Bremen

■ Stuttgarter Landtag stoppte ARD-Gebührenerhöhung / Wedemeier: Mehr Werbung bei Radio Bremen Programmdirektorin Sommerey: Keine Abstriche am Programm / Lothar Späth: Mehr Hilfe für arme Sender

Was schon seit Monaten bei Radio Bremen befürchtet wurde, seit wenigen Tagen ist es amtlich: Es wird vorerst keine bundesweite Gebührenerhöhung geben und deshalb auch keine Mehreinnahmen für den finanzschwachen Sender. Für die Fersehgucker und Radiolauscher dagegen ist die Nachricht gut: Die Gebühren bleiben auf dem alten Stand und werden nicht um 2,80 Mark angehoben, wie die Politiker aller Bundesländer wollten, außer Lothar Späth und seine Stuttgarter Landtagsmehrheit.

Was die Abstimmung im dortigen Landtag nun für den Bremer Sender bedeutet, darüber gehen die Meinungen in diesen Tagen auseinander. Die Programmdirektorin des Hörfunks, Karola Sommerey, will keine Abstriche am Programm hinnehmen, wie sie der Presse sagte. Sie befürch

tet, daß Radio Bremen sonst gegenüber der privaten Konkurrenz bei Radio und Fernsehen ins Hintertreffen kommt. Lieber sollen die Finanzreserven des Senders - nach Angaben des Intendanten Karl-Heinz Klostermeyer rund 22 Millionen Mark - angegriffen werden. Ferner geht die resolute Programmdirektorin davon aus, daß es im Jahre 1990 doch noch zu der ersehnten Gebührenerhöhung kommt.

Lothar Späth sieht das anders. Er und die baden -württembergische CDU wollen der vollen Gebührenerhöhung erst für 1991 zustimmen. Wenn er dabei bleibt, ergibt sich für Radio Bremen ein Einnahmedefizit von mehr als 27 Millionen Mark. Deshalb neigt Intendant Karl-Heinz Klostermeier zum Sparen. Er will jedenfalls die Finanzreserven des Senders nicht restlos abschmelzen

lassen. Am kommenden Montag wird sich das vierköpfige Direktorium des Senders mit der neuen Finanzlage beschäftigen.

Ganz so neu ist sie freilich nicht. Darauf wies ein Sprecher des Personalrats gestern hin. Seitdem Späth erstmals ankündigte, daß er der geplanten Gebührenerhöhung ein Bein stellen wolle, werde im Sender verschärft übers Sparen nachgedacht. Der Personalrat erwartet, daß nun an den Honoraren freier MitarbeiterInnen gespart wird. Die fest angestellten sollten dann wohl mehr von deren Aufgaben übernehmen, ihre Arbeit werde „sich verdichten“.

Auch Bürgermeister Klaus Wedemeier hat sich am Mittwoch in die Diskussion um die Rundfunkgebühren eingeschaltet. Wenn es auch für 1990 keine höheren Gebühren gebe, solle der

Sender mehr Werbung in Radio und Fernsehen bringen, empfahl er.

Die baden-württembergische Landesregierung wies gestern den Vorwurf zurück, das Land bringe mit seiner Entscheidung die kleinen Sender der Republik in finanzielle Schwierigkeiten. Schon Anfang Juli habe Späth seinen Ministerpräsidenten -Kollegen einen Alternativ-Vorschlag unterbreitet, sagte ein Sprecher. Darin sei den Nöten der drei ARD-Habenichtse Radio Bremen, Sender Freies Berlin und Saarländischer Rundfunk Rechnung getragen worden. 35 Millionen aus dem ARD-internen Finanzausgleich soll den sogenannten „Nehmer-Anstalten“ im Jahr 1990 zusätzlich zugesteckt werden.

Ärmer als die anderen Anstalten sind die drei Sender, weil in

den jeweiligen Landesgrenzen so wenige GebührenzahlerInnen wohnen. Die Sender mit den großen Flächen-Bundesländern mit Millionen von Gebührenzahlern sind nach Ansicht der Stuttgarter Landesregierung finanziell überversorgt, und könnten ihren armen Schwestern über die Runden helfen, bis auch Späth später einer Gebührenerhöhung zustimmen will, nämlich für 1991. Allerdings will Baden-Würtemberg auch dann eine Anhebung des Gebührensatzes nur um 2,40 Mark dulden, und nicht, wie die anderen Bundesländer verlangen, um 2,80 Mark. Zwar entstehe durch Späths Gebühren-Boykott ein Finanzloch von 350 Millionen Mark, es soll aber nach den Vorstellungen der Stuttgarter Landesregierung nicht zu Lasten der finanzschwachen Sender gehen.

mw

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