Späte Ehrung für sandinistischen Minister: Ganz große Koalition für Revolutionär
Anlässlich seines 30. Todestags wird in Köln eine Straße nach dem einstigen nicaraguanischen Minister Enrique Schmidt benannt.
![](https://taz.de/picture/84865/14/Nicaragua_Sandinisten_19071979_dpa.jpg)
KÖLN taz | Auf Antrag der CDU, der Grünen und der Linkspartei wird im Kölner Stadtteil Lindenthal ein sandinistischer Revolutionär geehrt. Eine Straße an der Universität erhält an diesem Mittwoch den Namen von Enrique Schmidt Cuadra, dem vor dreißig Jahren von den Contras ermordeten einstigen Kommunikationsminister Nicaraguas.
„Wir wollen mit der Namensgebung ein Signal setzen, wie wichtig es ist, sich für demokratische Verhältnisse einzusetzen“, sagt die Lindenthaler Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker (CDU) zur taz.
Im Beisein von Enrique Schmidts Witwe Maria Victoria Urquijo Nuño und seinen beiden Kindern Maité und Enrique Evenor wird Blömer-Frerker gemeinsam mit ihrem Stellvertreter, dem Grünen Roland Schüler, das Straßenschild enthüllen.
„Enrique Schmidt hat bei uns in Köln gelebt und ist für seinen Einsatz für die Demokratie gestorben“, begründet sie ihr Engagement. Eine für Christdemokraten keineswegs selbstverständliche Position: In den 1980er Jahren, nach dem Sieg über den Diktator Somoza, betrachteten sie die Sandinisten noch als böse Vorhut des Kommunismus.
Enrique Schmidt, dessen ostpreußischer Urgroßvater Ende des 19. Jahrhunderts nach dem Deutsch-Französischen Krieg nach Südamerika emigriert war, hatte ab Ende der 1960er Jahre an der Kölner Uni studiert und war aktiv im AStA-Ausländerreferat. Nach dem Diplom kehrte er 1974 nach Nicaragua zurück. Mittlerweile hatte er sich der Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) angeschlossen.
Generalvertreter für Siemens
In dem lateinamerikanischen Land arbeitete Schmidt als Generalvertreter für den Siemens-Konzern und als Dozent für Nationalökonomie. 1975 wurde er wegen verbotener Gewerkschaftskontakte verhaftet und wochenlang im berüchtigten Gefängnis von Tipitapa gefoltert.
„Weder Siemens noch die deutsche Botschaft in Managua haben sich für ihn eingesetzt“, berichtet der Grüne Schüler, Geschäftsführer des Kölner Friedensbildungswerks. Erst internationaler Druck unter anderem der evangelischen Kirche führte 1977 zu Schmidts Freilassung und Ausreise in die BRD. Er promovierte an der Uni Bremen und war als offizieller Vertreter der FSLN in Westeuropa maßgeblich an der Gründung erster Solidaritätsgruppen in der BRD beteiligt.
Mit der Revolution zog es ihn im Frühjahr 1979 erneut zurück nach Nicaragua.
Nach dem Sieg über die Somoza-Diktatur arbeitete Schmidt zunächst im Innenministerium, wurde dann Polizeichef von Managua und schließlich 1982 Post- und Fernmeldeminister. Für die Finanzierung eines seiner Projekte, eine Telefonverbindung vom Atlantik zum Pazifik, mobilisierte er Spenden in Deutschland. Die IG Metall sammelte Geld für die Kabel.
Von den Contras getötet
Während seiner Regierungszeit pflegte Schmidt enge Kontakte zur SPD und zur Sozialistischen Internationalen. Am 5. November 1984 wurde der 35-Jährige bei einem Gefecht mit den von den USA unterstützten Contras getötet. „Kurz vorher hatte er noch auf Einladung von Hans-Jürgen Wischnewski beim SPD-Bundesparteitag gesprochen“, erzählt Roland Schüler.
Lange ist’s her. Auf Schülers Initiative für die Straßenbenennung hat die SPD in Köln-Lindenthal nicht reagiert. Deshalb sei sie, anders als die CDU und die Linkspartei, nicht bei den Antragstellern gewesen, so der Grüne. Aber immerhin haben auch die Sozialdemokraten in der Bezirksvertretung für „das rote Geschenk Preußens“, wie ihn der sandinistische Schriftsteller und Weggefährte Tomás Borge rückblickend bezeichnet hat, als Namenspatron gestimmt.
„Enrique Schmidt hat sich für Gerechtigkeit eingesetzt“, sagt Schüler. „Deshalb ist er ein Vorbild.“
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