Soziologen wollen Uniranking boykottieren: „Fragwürdig und lückenhaft“
Die Soziologiegesellschaft empfiehlt, das CHE-Hochschulranking zu boykottieren. Die Ergebnisse seien nicht repräsentativ, würden aber genutzt, um Professoren unter Druck zu setzen.
BERLIN taz | Ein mattes Blau statt Rot ist nun die Farbe für Verlierer. Auf diesen Kompromiss hat sich das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das seit sieben Jahren in der Wochenzeitung Die Zeit sein Hochschulranking publiziert, eingelassen.
Die Ampelsymbole, mit denen das CHE deutsche Studiengänge in Spitzen-, Mittel- und Schlussgruppen sortiert, sind schon lange umstritten. Sie sollen Schülern bei der Studienauswahl helfen und sie etwa über Ansehen oder Betreuungssituation der Unis informieren. Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie hat dieses Ranking nun als „methodisch fragwürdig und empirisch lückenhaft“ kritisiert. Sie empfiehlt allen soziologischen Instituten, nicht mehr an der Studie teilzunehmen.
Hauptgrund für die Initiative der Soziologiegesellschaft seien die politischen Auswirkungen des Rankings, sagt deren Präsidentin Martina Löw. Die Ergebnisse würden von Politikern und Hochschulleitern benutzt, um Professoren unter Druck zu setzen. Dabei seien die Bewertungen verzerrt und nicht repräsentativ. So seien etwa die Rücklaufquoten der Fragebögen zu niedrig.
Statt die Publikationen der Wissenschaftler selbst zu lesen, bewerte das CHE bloß die Summen der Fördergelder, die Forscher aus der Wirtschaft einwerben. Auch die CHE-Umfragen zur Reputation einzelner Institute seien nicht viel aussagekräftiger: Die Einschätzungen von Fachkollegen seien möglicherweise vorbelastet.
Schüler und Studenten profitierten zudem kaum von der Vergleichsliste – sie sei nicht detailliert genug, sagt Löw: „Es gibt für uns keinen Grund, an einem Bewertungsverfahren teilzunehmen, von dem wir denken, dass es eher schadet als hilft.“ Bereits 2009 hatte der Historikerverband den Geschichtsinstituten empfohlen, sich nicht mehr am CHE-Ranking zu beteiligen. Rund die Hälfte sei mittlerweile aus der Studie ausgestiegen, sagt Verbandsgeschäftsführerin Nora Helmli.
Das CHE reagiert auf die Kritik verständnislos: Die Studie sei aussagekräftig, die Methoden würden ständig überprüft und verbessert, sagt Petra Giebisch, die Projektleiterin des Rankings. Durch die Ampel gehe man verantwortungsvoll mit schwankenden Ergebnissen um. Auch beim Stichwort Politik weist sie Beschwerden zurück: An einer internen Diskussion könne sie „nichts Schlechtes finden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos