Soziologe über rechtsextreme Vereine: "Richtiges Signal"
Das Verbot von rechtsextremen Vereinen durch die CDU signalisiert kein Umdenken in Sachen NPD-Verbot. Sinnvoll ist der Entzug von Geld und Infrastruktur trotzdem, sagt Soziologe Fabian Virchow.
taz: Herr Virchow, alle Vereine waren Sammelbecken von Holocaustleugnern. Bundesweit wurden an die 30 Objekte durchsucht. War das ein erfolgreicher Schlag gegen diese Szene?
Fabian Virchow: Zunächst ist dies als politisches Signal zu werten, dass Holocaustleugner in der Bundesrepublik Deutschland nicht länger die Möglichkeit haben sollen, sich legal zu organisieren. Hierfür hat man sich viel Zeit gelassen, schließlich ist das Collegium Humanum nicht erst seit Kurzem ein Knoten im Netzwerk der Holocaustleugner. Der Entzug von Infrastruktur erschwert deren Tätigkeit, wird sie aber nicht beenden.
Überrascht dürfte der Verein um Ursula Haverbeck-Wetzel und Horst Mahler wenig gewesen sein. Schon Monate zuvor waren die Verbotsbemühungen des Ministeriums durchgesickert.
Mit dem Fehlen eines Überraschungsmoments kann man unzufrieden sein. Denn es hat den Betroffenen Zeit und Gelegenheit gegeben, sich auf ein Verbot einzustellen. In einer Demokratie aber, in der solche Fragen im politischen und medialen Feld erörtert werden, müssen wir mit dieser widersprüchlichen Situation leben.
Holocaustleugner haben in Deutschland Justizerfahrungen. Wird das Verbot jemanden wie Horst Mahler stoppen?
Mit der Gründung des VRBHV Ende 2003 wurde ein Taktikwechsel der Holocaustleugner untermauert: Nun ging es darum, die Gerichtsverfahren bewusst als Propagandaveranstaltungen zu nutzen; dafür werden Strafen in Kauf genommen. Das Verbot wird die Holocaustleugnung in Deutschland kaum unterbinden können, aber womöglich hemmt es die Möglichkeiten der organisierten Verbreitung etwas.
Wie werden die Betroffen reagieren? Schließlich muss jetzt auch ihr Tagungszentrum in Vlotho schließen.
Ich nehme an, sie werden Rechtsmittel einlegen. Außerdem wird es sicherlich einige öffentliche Aktionen geben. Nicht zuletzt der Verlust der Immobilie wäre in der Tat schwer zu verschmerzen, zumal sich dort auch Neonazis aus der sogenannten Kameradschaftsszene zu Strategietreffen versammelt haben.
Schaft das Bundesinnenministerium nicht Märtyrer für die Bewegung?
Nein. Diese Szene inszeniert sich ohnehin als Märtyrer. Jede Anklage, jeder Strafprozess, in dem man sich etwa wegen Volksverhetzung (§ 130) oder Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) verantworten muss, wird in diesem Sinne genutzt. Wollte man diese Märtyrer-Inszenierung vermeiden, dann müsste man auf die Strafverfolgung solcher Aktivitäten ganz verzichten.
Welche Erfahrungen gibt es mit rechtsextremen Vereinsverboten?
Zum Teil wurde auf andere extrem rechte Strukturen ausgewichen, zum Teil wurde versucht, die Tätigkeit fortzusetzen - das hat dann in einigen Fällen dazu geführt, dass Strafverfahren wegen Fortsetzung einer verbotenen Organisation eingeleitet wurden.
Die CDU strebt kein NPD-Verbotsverfahren an. Signalisiert dieses Vereinsverbot durch einen CDU-Minister ein Umdenken?
Nein. Der Sachverhalt ist hier völlig anders. Hier Verbot nach dem Collegium-Humanum-Vereinsgesetz, dort Verbot einer Partei. Zudem besteht die Weigerung zahlreicher Innenminister fort, die V-Leute aus der NPD zurückzuziehen. Damit bleibt ein, vielleicht das wesentliche Hindernis für ein neues NPD-Verbotsverfahren bestehen.
Würde ein NPD-Verbot die Szene erschüttern?
Das hängt davon ab, wie konsequent es umgesetzt würde. Der Verlust der Immobilien, der Parteizeitung und der mit den Landtagsfraktionen verbundenen finanziellen Ressourcen sowie der Ausfall der staatlichen Parteienfinanzierung würden die Handlungsmöglichkeiten nicht nur der NPD, sondern der extremen Rechten insgesamt einschränken.
Ist das Verbot der Vereine erfolgt, weil Grüne und SPD in den vergangenen Monaten den politischen Druck erhöhten?
Bei den komplexen Entscheidungsprozessen, ob, wann und mit welcher Begründung eine Organisation verboten wird, spielen in der Regel mehrere Faktoren eine Rolle. Allerdings: Nachdem die Tätigkeit des Collegium Humanum lange Zeit nur von antifaschistischen Gruppen kritisch thematisiert worden ist, haben in jüngster Zeit auch andere politische Akteure die Notwendigkeit erkannt, hier einschränkend tätig zu werden.
INTERVIEW: ANDREAS SPEIT
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