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Soziologe über FinanzkapitalismusGestatten, mein Name ist Geldadel

Im Finanzkapitalismus kehren vormoderne Sozialformen wieder, sagt der Soziologe Neckel. Wer reiche Eltern hat, wird reich. Da hilft nur eine neue Wirtschaftsethik.

Der moderne Geldadel, Produkt des Finanzkapitalismus. Bild: misterQM / photocase.com
Interview von I. Arend und S. Reinecke

taz: Herr Neckel, wissen Sie, wer Anshu Jain ist?

Sighard Neckel: Ja, der künftige Ko-Chef der Deutschen Bank.

Jain soll in fünf Jahren in London beim Investmentbanking 16 Milliarden Dollar für die Deutsche Bank verdient haben. Ist er ein Sinnbild für den Kasinokapitalismus?

Ja, weil er einen neuen Typ von Wirtschaftslenker verkörpert. Es gab im Beginn des Industriezeitalters den paternalistischen Unternehmer, der autoritär wie ein Vater regierte und für seine Beschäftigten sorgte. Nach 1950 setzt sich stärker der Typus des technokratischen Unternehmers durch – der Experte, der die Welt nicht ethisch, sondern technisch verbessern wollte. Dieses Ethos findet sich heute noch in der IT-Branche wieder: Man denke etwa an Apple. Der Finanzkapitalismus hat nun einen anderen Typus hervorgebracht: den globalen Investor, der sein Geld sofort zurückzieht, wenn das Risiko zu groß wird. Wir haben es hier mit einer Branche zu tun, in der nur Renditen und individueller Zugewinn zählen und die keine andere erkennbare Ethik hervorbringt.

Ist das wirklich ein neuer Typus?

Ja. Zum Unternehmerischen gehörte immer, dass Projekte scheitern können und der Unternehmer dann das Risiko trägt. Davon kann hier kaum die Rede sein.

Sind Jain und globale Finanzinvestoren wie Nicolas Berggruen Vertreter einer neuen globalen Klasse? Wir meinen das nicht feuilletonistisch, sondern soziologisch. Bringt der Finanzkapitalismus eine neue Klasse hervor?

Das wissen wir bisher noch nicht genau. Es gibt eine globale Ökonomie, die sich stark aus gesellschaftlichen Zusammenhängen gelöst hat. Aber ob die Akteure so stark ihre nationalen Kontexte verlassen haben, dass wir von einer globalen Klasse reden müssen, die durch Interesse, Kultur und Habitus verbunden ist, ist soziologisch nicht geklärt. In Deutschland scheint die Verbundenheit mit der Herkunft noch recht stark …

Bild: Uni Frankfurt
Im Interview: SIGHARD NECKEL

55, ist Professor für Soziologie in Frankfurt am Main. Derzeit arbeitet er an einer Studie über Professionsethiken im Finanzwesen. 2010 erschien von ihm „Strukturierte Verantwortungslosigkeit: Berichte aus der Bankenwelt“ (Suhrkamp).

Was heißt das?

Dass viele deutsche Manager noch in Deutschland ausgebildet worden sind, dass sie ihre Netzwerke hier haben. Allerdings spricht einiges dafür, dass dies nur bei den 50-Jährigen noch so ist. Die 30-Jährigen sind eher Prototypen der Globalisierung. Die jungen Investmentbanker in Frankfurt und Sydney, in London und Bombay sind auf ähnliche Business Schools gegangen, sie reden das gleiche Business-Englisch, lesen alle die Financial Times und führen ein ähnliches Leben, global und hochmobil. Und sie haben das gleiche Ziel: aus dem Geldhandel möglichst viel Gewinn für sich zu generieren.

Der 30-jährige indische Banker hat also mehr mit einem 30-jährigen Banker aus Toronto gemein als mit dem Nähmaschinenfabrikanten, der um die Ecke wohnt?

Ja, das kann man vermuten. Denn beide haben Finanzmathematik studiert, aber zur Produktionsethik des Unternehmertums kaum Kontakt. Interessant ist aber auch, dass im globalen Finanzkapitalismus, der als hochmodern gilt und seit etwa 20 Jahren die globale Ökonomie bestimmt, vormoderne Sozialformen wiederkehren.

Inwiefern?

Zum Beispiel: Die Herkunft ist wieder absolut ausschlaggebend für die soziale Platzierung. Wir sehen, dass dieser Trend in Deutschland für alle, die nach 1960 geboren sind, extrem angestiegen ist. Die soziale Position und der Wohlstand werden buchstäblich vererbt, die Gesellschaft ist sozial undurchlässiger geworden. Der Finanzkapitalismus bringt zudem eine Oberschicht hervor, die wie der frühere Adel jeder gesellschaftlichen Konkurrenz enthoben ist. Dieser moderne Geldadel ist, anders als der bürgerliche Unternehmer, kein Gegner gesellschaftlicher Auseinandersetzungen mehr. Er steht nicht mehr im Konflikt mit anderen Klassen, die an seinem Reichtum teilhaben wollen. Das ist neu. Im bürgerlichen Kapitalismus standen die Klassen stets in wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnissen. Der moderne Geldadel aber existiert ohne Abhängigkeit von einer produzierenden Klasse. Es gibt eine Refeudalisierung gesellschaftlicher Strukturen im Finanzmarktkapitalismus.

Führt es nicht in die Irre, von Geldadel und Refeudalisierung zu sprechen? Ist diese Managerklasse denn unproduktiv?

Das Management der Finanzmärkte verdankt seine Rolle der Tatsache, dass es gigantische Summen ungebundenen Kapitals gibt, das auf der Suche nach Anlagen ist. So ist eine neue Dienstklasse entstanden – die professionellen Vermögensverwalter und Fondsmanager. Die legen das Geld ihrer Kunden an – das unternehmerische Risiko tragen aber nicht sie, sondern jene, die sie beauftragt haben. Italienische Postoperationalisten vertreten die These, dass im Finanzmarktkapitalismus eigentlich keine Profite mehr gemacht werden, für die man ein Risiko eingehen muss, sondern Renten.

Der Feudalismus war eine extrem starre Ordnung, der Finanzkapitalismus ist extrem dynamisch und störanfällig. Ist Refeudalisierung das richtige Bild?

Um kein Missverständnis zu produzieren: Natürlich gibt es keine Rückkehr zum Adel mit gepuderten Perücken. Mit dem Begriff Refeudalisierung will ich verdeutlichen, dass es in der gesellschaftlichen Bewegung „nach vorne“ zugleich auch eine „zurück“ geben kann. Modernisierungen bringen nicht immer „Neues“ hervor, sondern führen häufig genug zur Wiederkehr älterer Muster unter veränderten Vorzeichen.

Zum Beispiel?

Weg vom Leistungsprinzip, mit dem sich das Bürgertum einst vom Feudalismus abgrenzte, – hin zur Maxime des reinen finanziellen Erfolgs. Was immer man unter Leistung verstehen mag, stets ist dabei vorausgesetzt, Anstrengungen und Erträge vergleichen zu können. Sogar bei Bill Gates mag man meinen, dass er viel geleistet und sein Einkommen daher auch verdient hat, weil es mit einer ihm zurechenbaren ökonomischen Handlung verbunden ist. Bei den Gewinnen der Finanzeliten ist das alles ganz anders.

Warum?

Weil ihre Einkommen nicht durch Arbeit, Risiko oder Investitionen, sondern durch Spekulationsgewinne zustande kommen. Ob mit den Milliarden, die dabei verdient werden, gesellschaftlicher Nutzen entsteht, ist fraglich. Und: Die Millionengehälter und Boni der Akteure auf den Finanzmärkten folgen nicht dem Leistungsprinzip, sondern allein dem Markt. Deshalb vergleicht Josef Ackermann, noch Chef der Deutschen Bank, sein Einkommen nicht mit dem seiner Abteilungsleiter, sondern mit Stars wie Julia Roberts.

Also Schluss mit der Spekulation, zurück zur Realwirtschaft?

Zurück zu den Aufgaben, die Banken und meinetwegen auch Fonds haben: Geld für wirtschaftliche Aktivitäten bereitzustellen, die einen gesellschaftlichen Nutzen haben.

Wenn diese neofeudale Klasse strukturell abgehoben ist – kann man dann eigentlich noch sinnvoll dagegen protestieren? Die Occupy-Bewegung hat in den Bankenvierteln demonstriert. War das der richtige Ort?

Jein. Banken sind Verknotungspunkte dieses Systems. Es ist einleuchtend, die Geschäftspolitik von Banken anzuprangern und ein anderes Bankensystem zu fordern. Allerdings werden riesige Kapitalmengen längst jenseits davon, im Schattenbankensystem und in den Hedgefonds bewegt. Es ist also kein Wunder, dass die Occupy-Bewegung …

die Bundespräsident Gauck „unsäglich albern“ findet …

… so oft für naiv erklärt worden ist. Aber das ist oberflächlich. Denn Occupy spiegelt auch ein reales Problem wider: die Schwierigkeit, verantwortliche Akteure und den politischen Gegner ausfindig zu machen.

Der Finanzkapitalismus hat keine Adresse und E-Mail …

Genau.

Franz Müntefering hat mal von Heuschrecken geredet, feiner formuliert heißt das: Man fordert einen sozialen Patriotismus ein. Unterschreiben Sie das?

Nein, das ist mir zu national, zu rückwärtsgewandt.

Was dann?

Wir brauchen eine ethische Rückbindung ökonomischen Handelns. Und genau dies fordern soziale Bewegungen und die Öffentlichkeit heute ja ein. Wenn etwa kritisiert wird, dass sich finanzielle Gewinne von Leistungen völlig entkoppelt haben, verteidigt die moderne Gesellschaft nichts weiter als ihre eigene normative Geschäftsgrundlage.

Niklas Luhmann hat Wirtschaftsethik mit der englischen Küche verglichen: Beides existiert nicht …

Klingt gut, stimmt aber nicht, jedenfalls ökonomisch. Das kann man schon bei Adam Smith nachlesen. So wie wir die Politik auf die Menschenrechtscharta verpflichten, müssen wir der Ökonomie, der entscheidenden Macht im 21. Jahrhundert, moralische Standards auferlegen.

Die Frage ist: Nutzt das was?

Jede Wirtschaftsform braucht normative Ressourcen und Rechtfertigungen. Wirtschaftsformen können sich eine Weile vielleicht aus sich selbst legitimieren – solange sie wichtige gesellschaftliche Gruppen hinreichend mit materiellen Einkünften versorgen. Aber dies scheint vorbei zu sein. Auch in der Mittelschicht zweifelt man, ob man an der Verteilung der Wohlstandsgewinne noch gerecht beteiligt ist. Auch deshalb stehen die ökonomischen Institutionen unter erhöhtem Rechtfertigungsdruck.

Also kann man die globale Klasse, die man scheinbar nur im Privatjet erwischt, doch gesellschaftlich zurückholen?

Es gibt Anzeichen dafür. Die Zeiten, als die Deutsche Bank 25 Prozent Eigenkapitalrendite als Botschaft aussenden konnte, sind vorbei. Das reicht nicht mehr aus. Und: Die ethischen Einsprüche enthalten ja auch Elemente der Sabotage. Accounts zu knacken, Transparenz herzustellen, Sand im Getriebe zu sein, das sind Versuche, die Jets auf den Boden zu bringen.

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16 Kommentare

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  • KK
    Karl K

    Die Aussagen sind - vergrôbernd hin oder her - im Ergebnis ok.

    Insbesondere gefällt mit These vom verrenteten "Adelskapitalismus". Der im Windschatten der Realwirtschaft das  Risiko scheut, aber unbegrenzt Kapital generieren kann.

     

    Da ich als dilletierender Laie auf Glaubwürdigkeitskluster angewiesen bin, hier mein Einwand: 

     

    Sie sagen:

    " Es gab im Beginn des Industriezeitalters den paternalistischen Unternehmer, der autoritär wie ein Vater regierte und für seine Beschäftigten sorgte."

     

    Das ist mit Verlaub eine euphemistische Übertreibung.

    Beispiel " Trucksystem" ( Ein- und Ankauf von Waren einschl. Werkzeugen beim Unternehmer).

     

    Nach den Untersuchungen des 

    " Friedrich-Engels-Museum" in Wuppertal haben sich alle untersuchten Unternehmen/r - bis auf Engels - über überhöhte Preise hintenrum nochmals am Lohn bereichert.

     

    In dem Roman " Canaima" von Gallegos wird beschrieben, dass die Kautschuk-Arbeiter der Firma Blohm in Venezuela über das Trucksytem, wenn sie überhaupt den Busch lebend verlassen konnten, mit Null wieder herauskamen.

     

    Als ich meinen Vater - in den 20gern bei Blohm tätig - danach fragte, sagte er, klar stimmt das. Was meinst du, warum ich dir diesen Roman zu lesen gegeben habe?!

  • KK
    Karl K

    Die Aussagen sind - vergrôbernd hin oder her - im Ergebnis ok.

    Insbesondere gefällt mit These vom verrenteten "Adelskapitalismus". Der im Windschatten der Realwirtschaft das  Risiko scheut, aber unbegrenzt Kapital generieren kann.

     

    Da ich als dilletierender Laie auf Glaubwürdigkeitskluster angewiesen bin, hier mein Einwand: 

     

    Sie sagen:

    " Es gab im Beginn des Industriezeitalters den paternalistischen Unternehmer, der autoritär wie ein Vater regierte und für seine Beschäftigten sorgte."

     

    Das ist mit Verlaub eine euphemistische Übertreibung.

    Beispiel " Trucksystem" ( Ein- und Ankauf von Waren einschl. Werkzeugen beim Unternehmer).

     

    Nach den Untersuchungen des 

    " Friedrich-Engels-Museum" in Wuppertal haben sich alle untersuchten Unternehmen/r - bis auf Engels - über überhöhte Preise hintenrum nochmals am Lohn bereichert.

     

    In dem Roman " Canaima" von Gallegos wird beschrieben, dass die Kautschuk-Arbeiter der Firma Blohm in Venezuela über das Trucksytem, wenn sie überhaupt den Busch lebend verlassen konnten, mit Null wieder herauskamen.

     

    Als ich meinen Vater - in den 20gern bei Blohm tätig - danach fragte, sagte er, klar stimmt das. Was meinst du, warum ich dir diesen Roman zu lesen gegeben habe?!

  • Z
    Zeitarbeiter

    Wenn die Eigentümer der 2.größten Zeitarbeitsfirma der Welt pro Zeitarbeitsklaven auch nur 1en Euro Gewinn machen erreichen sie einen "Stundenlohn" von mindestens 2.700.000 Euro.

    Dies ist mehr als das zweihundertsiebzigtausenfache Gehalt eines ihrer Sklaven. 170 Std. pro Monat, 12 mal pro Jahr ! 5.508.000.000 Euro/Jahr. Im Vergleich: Die Bundesrepublik hat 2.000.000.000 Euro Schulden. Hätten sie es gewußt - Herr Schäuble?

  • K
    Karola

    Dieser Mann sagt genau das, was ich vor Jahren bei einem niederländischen Ökonomen, Paul Ankersmidt,gelesen habe. Wer den Neoliberalismus will, will(in) den Feudalismus zurück.

     

    Diese Globalplayer zeigen, wie es geht. Keine Verantwortung, wetten, auf alles was sich zu Geld machen läßt, auch auf Nahrungsmittel - und keine Moral. Kalt wie Kampfroboter vernichten und gewinnen sie und keine Regierung scheint in der Lage oder Willens, diesem Spuk ein Ende zu setzen - weil auch sie davon profitieren, nur die Mehrheit der Menschen eben nicht.

  • I
    Illoinen

    Wenn man weiß, dass mit ca. 800 Trillionen an den Finanzmärkten "spekuliert" wird, und sich jeder staatlichen Kontrolle entzogen hat, auf der anderen Seite gerade einmal ca. 60 Trillionen der Realwirtschaft gegenüberstehen. Wenn man dann noch weiß, dass die 800 Trillionen an den Märkten der Welt, wenn Verluste entstehen, diese sozialisiert, aber die Gewinne in Steueroasen dieser Welt verschwinden, dann frage ich mich schon, wie kann man da noch irgend etwas gutes in dieser Zockerei erkennen? Bereits Roosevelt, hatt schon vor Jahrzehnten folgenden Satz geprägt: " vom organisiertem Geld regiert zu werden, ist genau so schlimm, wie vom organisiertem Verbrechen regiert zu werden" Dem kann ich nur zustimmen!

  • P
    panziero

    postoperationalisten?

  • F
    Finn

    Sehr akademisch formuliert, einfach gesagt - der einzige Unterschied zwischen den refeudalisierten Zigfachmillionären und altvorderen Aristokraten besteht darin, dass wir von ihnen nicht nach Lust und Laune auf offener Straße erschlagen werden können.

    Allerdings - auch diese Dienstleistung ist käuflich - insofern - sind Milliardäre jederzeit zu Allem fähig.

     

    Als zeitgenössischer Russe aus der Mittelschicht achtet man sehr darauf, Oligarchen nicht unangenehm aufzufallen!

     

    Die Messe läuft erneut wie seit mindestens 10.000 Jahren, Massenarmut und Microfeudalismus - der Mensch liebt es eben streng separiert.

     

    Das kann man nun in einem Satz ausdrücken oder aber in beliebig vielen akademischen Aufsätzen etc. etc. etc. .............

     

    Wer simpel gestickt ist, wie ich - leidet eben alleine im Wald, wer sich als intellelktueller, kritisch denkender Mensch etabliert, darf als Deko mit ans Bankett - allerdings - dabei bleibt wes auch.

  • J
    Jakob

    Ich finde die Debatte, die hier aufgegriffen wird im Grunde sehr interessant und wichtig. An den Aussagen Professor Neckel's stoert mich, dass es doch scheint als basieren seine Thesen mitunter auf ziemlich vereinfachten Thesen beruht, man koennte sie auch Plattitueden nennen.

     

    Es stimmt zwar das in der Finanzindustrie viele Aktivitaeten eher schaedlich als nuetzlich sind, aber wie kommen sie denn auf die Idee, dass Finanzmarktaktivitaeten von jedem gesellschaftlichen und oekonomischen Kontext geloesst sind. Woher nehmen sie ferner die Behauptung, dass bei Investitionen im Finanzmarkt kein Risiko mehr gibt? Inwiefern bestimmt die Oekonomie das 21. Jahrhundert grundsaetzlich anders als sie es schon im 20. Jahrhundert, und eigentlich schon immer, getan hat. Endlich wuerde ich gerne wissen von welcher Wirtschaftsethik Sie sprechen, die im 20. Jahrhundert so ausschlaggebend gewesen sein soll. Es galt doch wohl schon immer: Erst kommt das Fressen, und dann kommt die Moral. Jede Abweichung davon laesst sich doch letztendlich auf oekonomische Zusammenhaenge zurueckfuehren (und damit meine ich nicht post-moderne Oekonomielehre, sondern grundlegende oekonomische Zusammenhaenge). Wenn Sie das anders sehen wuerde ich doch sehr um ein historisches Beispiel bitten.

  • X
    XXX

    Wieder einmal wird Bill Gates als Beispiel dafür zitiert, dass jemand sein Vermögen auch verdiene. Ich glaube, dass das vollkommen falsch ist. Bill Gates verdankt sein Vermögen folgenden Tatsachen:

     

    1. Einer erheblichen Portion rücksichtslosen und teils illegalen Handeln (z.B. durch kartellrechtswidrige Vertragsklauseln, die Hardware-Herstellern andere Betriebssysteme verbieten oder verteuern).

    2. Glück

    3. Einem enormen Aufwand von seiten der westlichen Staaten (insbesondere der USA), um wesentliche Rechte von Personen (Kopieren von Daten) und Konkurrenten (z.B. durch sehr fragwürdige Patente) einzuschränken.

     

    In Anbetracht der Vielfalt der Software vor Microsoft und der objektiv feststellbaren Qualitätsmängel der Microsoft-Produkte sollte man Bill Gates eher als einen der größten und schädlichsten Schmarotzer der Menschheit betrachten, denn als jemand, der sein Vermögen verdient hat.

    Leider ist das Computer-"Laien" (im Sinne von Anwender und Nicht-Programmierer) nur sehr schwer klarzumachen.

  • R
    reblek

    "Also kann man die globale Klasse, die man scheinbar nur im Privatjet erwischt, doch gesellschaftlich zurückholen?" - Das würde bedeuten, sie dort nicht erwischen zu können, denn "scheinbar" bedeutet: Es sieht nur so aus, als ob." Gemein ist offensichtlich "anscheinend": Es sieht ganz so aus, als ob.

  • Y
    yberg

    und die ganze schoße würde nicht laufen ohne die zigtausende zuarbeitenden willfährigen modernen prätorianer aus steuer-,unternehmens-,rechts-,politik- und einflußberatung die der branche zuarbeiten und sowohl gesetzestreue als auch ungesetzliche regelungen austüfteln ,die weitere vorteile im internationalen rattenrennen der zocker garantieren sollen.

     

    jeder regelverstoß bringt kurzfristig einen uneinholbaren vorteil gegenüber der wettbewerber für den akteur

     

    hinweisen möchte ich noch,daß die explosion der branche durch die freien liquiden mittel aus globalen steuersenkungen verursacht wurden,die zum einen wegen gesättigter markte und zum andern wegen niederer rendite mit hohem risiko nicht mehr in der realwirtschaft investiert werden sondern das schmiermittel und die munition sind für die abkopplung des über 70 billionen umfassenden finanzzockbereichs.

     

    die deregulierung der finanzmärkte ist nicht,wie mantrahaft dauerwiederholt mit einer stärkung der realwirtschaft verbunden sondern zerstört nicht nur diese sondern auch absichtlich soziales gefüge.

     

    daß die neuzeit prätorianer zwischenzeitlich regierungsmitglieder stellen is nur noch billige farce der römischen geschichte,dort stellten die praetorianer zum ende des reichs die kaiser.

     

    die sozen und die grünen,die willfährig mit ihren finanzmarkterleichterungen den grundstein für die fehlentwicklung gelegt haben und den geist aus der flasche gelassen haben,drücken sich bis heute um ihre verantwortung.

     

    nur des abschöpfen von gewinnen mit hohen steuern führt uns aus dieser sackgasse.umsteuern ist angesagt und zwar schnellstens

  • T
    Tom

    "Im bürgerlichen Kapitalismus standen die Klassen stets in wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnissen. Der moderne Geldadel aber existiert ohne Abhängigkeit von einer produzierenden Klasse."

    Das Zitat ist nur ein Beispiel für die Kurzschlüsse die sich durch die gesamte Argumentation ziehen. Neckels Analyse ist symptomatisch für die Kapitalsmuskritik des Mittelstandes und wird von ihm nur reproduziert. Seine Analyse geht von einer problematischen Trennung von Finanzwirtschaft und Realwirtschaft aus. Das könnte einem bekannt vorkommen, denn neu ist das nicht, wenn auch hier noch die "globale Klasse" ins Spiel gebracht wird. Dagen stellt Neckel eine neue Ethik, die den guten alten Unternehmer zum Vorbild hat. Realwirtschaft gegen Finanzwirtschaft. Wozu das am Ende führt ist klar: Banken-Bashing, das Ausmachen von Schuldigen usw. Ändern wird das aber nicht viel, den an die entscheidenden Dysfunktionalitäten des kapitalistischen Wirtschaftssystems kommt man damit nicht ran.

    Ich kann Neckel nur empfehlen, den eigenen "Klassenstandpunkt" zu reflektieren und neben den Akteuren auch die Ökonomie genauer in den Blick zu nehmen. Das mag altmodisch klingen, sie mir aber erlaubt, wenn hier schon mit dem Klassenbegriff hantiert wird.

  • P
    Pharisäer

    Zwei Dinge, die man im Schwarzbuch Kapitalismus von Robert Kurz (3.Aufl. 2003) nachlesen kann:

     

    1. Im Finanzkapitalismus kehren keine vormodernen Sozialformen wieder, im Gegenteil sie waren nie fort. Es herrschen noch immer mithin mindestens seit dem Mittelalter weltweit feudale Verhältnisse, die durch die Industrialisierung und Technisierung lediglich überformt wurden. Besitz und Abhängigkeit legitimieren noch immer Herrschaftsverhältnisse.

     

    2. "Der ganze ethische Zirkus [...] hat die bedingungslose Unterwerfung unter die herrschende kapitalistische Form der Gesellschaft zur stillen Voraussetzung. Deshalb können ethische Leitbilder sozialen Handelns auch nur in der Fetischform des Geldes gedacht werden [...]. Das Problem ist nicht die Gerechtigkeit in der herrschenden gesellschaftlichen Form, sondern diese Form selber" [R.Kurz(2003): Schwarzbuch Kapitalismus. Seite 903].

  • A
    Anna

    Ja, sicher könnte die Gesellschaft diese Akteure zurückholen.

    Dazu müssten sich die Wähler aber mal dazu durchringen, Parteien zu wählen, die die Finanzwelt regulieren oder wenigstens die Tobinsteuer durchsetzen würden.

     

    Aber Lafontaine gilt ja als Lusche, weil er schon vor 15 erkannt hat, dass das richtig wäre und konsequent nicht weiter mitgemacht hat.

    Er hat "geschmissen, feige das Handtuch geworfen " und dergleichen mehr.

    An dieser Einschätzung hat sich auch heute, wo alle wissen, dass er recht hatte, trotzdem überhaupt noch nichts geändert.

    (anderen wird Ähnliches interessanterweise hoch angerechnet, z.B. Leutheuser-Schnarrenberger nach dem Beschluss des Großen Lauschangriffes; was ich ihr auch nicht absprechen will).

     

    Nö, statt dessen bringen wir lieber Merkel das dritte Mal an die Macht.

    Schuld sind dann natürlich wieder nur die bösen Lobbyisten.

  • G
    Gebhard

    Unterteilung in "raffendes" (böses) und "schaffendes" (gutes) Kapital?

    Ihr Ernst?

    Eine Kritik an der Moralosigkeit der Reichen?

    Ihr Ernst?

     

    Was kommt als nächstes? Die Behauptung der Weltherrschaft des raffendem Kapital?

    Der Schritt dieses noch jüdisch zu nennen scheint klein, was die Gefahr jeder regressiven Kapitalismuskritik ist.

     

    Wie wär's wir lesen ein bisschen mehr Marx als Gesell und lernen ein bisschen über grundlegendste Wirtschaftsvorgänge, damit unsere Kritik ein bisschen grundlegender wird.

    Ein bisschen Wertkritik hier, ein bisschen Kritik an Produktion da et voila!

     

    Liebste Grüße

  • TF
    Thomas Fluhr

    Wo ist die Guillotine? Handeln wir früher als in Frankreich, bevor wieder jemand empfiehlt doch Kuchen zu essen.