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Soziologe Hartmut Häußermann gestorbenFür gleiche Chancen

Der Soziologe Hartmut Häußermann war Fürsprecher der sozialen Stadt. Bis zuletzt wohnte der Vordenker des Quartiersmanagements im Berliner Prenzlauer Berg.

Lange wehrte er sich gegen den Begriff "Gentrifizierung": Soziologe Hartmut Häußermann. Bild: dpa

Natürlich hätte er wegziehen können. Weg vom Berliner Kollwitzplatz, der in den vergangenen zehn Jahren zum Symbol für großflächige Verdrängung geworden ist. Hartmut Häußermann ist dageblieben, als sich alles um ihn veränderte.

Er, der linke Soziologe, hat sich nie nur mit Beobachten zufriedengegeben - er wollte teilnehmen, erleben. Das hat Häußermann so glaubwürdig gemacht und zugleich so angenehm als Menschen. Mit 68 Jahren ist er nun nach schwerer Krankheit gestorben.

Dass er keiner dieser Glashauswissenschaftler werden würde, zeichnete sich schon während des Studiums an der Freien Universität Berlin ab: Häußermann war Asta-Chef, Teil der 68er-Generation um Rudi Dutschke. Er behielt seine Ideale, und er propagierte sie unermüdlich. Häußermann ging es um gleiche Bildungs- und Wissenschancen für alle, er kämpfte gegen soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung, gegen die Spaltung der Stadt.

Auf Häußermann ging maßgeblich das in Berlin gegründete Quartiersmanagement zurück. Er hatte gemeinsam mit Kollegen soziale Brennpunkte in der Stadt ausgemacht. Dort sollten Beratungsbüros aufgemacht, Sozialarbeiter aktiv werden. Die Politik setzte die Vorschläge um, das Frühwarnsystem ist zum Schlüssel der sozialen Stadtentwicklungspolitik Berlins geworden.

Das kleinteilige, genaue Hinschauen war ihm wichtig. Häußermann war keiner, der pauschalisiert hat - was er am eigenen Beispiel verdeutlichte. Er, der gebürtige Schwabe, gehörte zum gehobenen Bildungsbürgertum, das Prenzlauer Berg nach der Wende überrollte.

Ein "Gentrifizierer" sei er trotzdem nicht gewesen, sagte er der taz vor zwei Jahren bei einem Gespräch in seiner hellen, behaglichen Wohnung. "Das halbe Haus stand damals leer, ich kann gar niemanden verdrängt haben." Häußermann hatte mit einer Gruppe selbst angepackt, das Haus renoviert. Die Gemeinschaft besteht im Kern bis heute.

Lange wehrte sich der Soziologe gegen den Begriff der Gentrifizierung, wollte ihn nicht abnutzen und der Debatte damit die Schärfe nehmen. Als sein Schüler Andrej Holm indes wegen des Gebrauchs dieses Begriffs vom Bundeskriminalamt festgenommen wurde, stellte er sich an die Spitze der Protestbewegung.

Nachdem er im Jahr 2008 den Lehrstuhl an der Humboldt-Universität abgegeben hatte, engagierte sich Häußermann weiter. Der taz sagte er damals: "Wenn man denkt, man hat etwas zu sagen, was andere so nicht sehen, dann kann man das nicht einfach lassen."

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6 Kommentare

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  • MS
    Michael Schaub

    Nach Häußemann sollte Soziologie auch immer den Finger in die Wunde der Gesellschaft legen. Diesen Grundsatz bestimmt seine Forschung und auch seinen kollegialen Umgang mit uns Student/innen, mit denen er sich auch mal am Lagerfeuer unterhielt.

    Danke, dass Sie mein Prof waren und die kritische Art zu denken förderten, von der ich immer noch bei meiner Arbeit hier in Bolivien profitiere.

    ...Sie sind leider viel zu früh gegangen.

  • DS
    Dirk Schwiedergoll

    Dank für die interessanten Seminare u. Projekte zum Thema "Sozialistische Stadt/Städtebau" an der Humboldt Universität in den Jahren 1993-1996. Dank für die gelebte politische Bildung. Mein Dank gilt dem nahen, in jeder Hinsicht erreichbaren Hochschullehrer, der uns Studierende unterstützte, dem präzisen Wissenschaftler, der im Seminar nicht selten mahnte, unsere im Referat getroffene Aussage durch Zahlen zu belegen. Nicht zuletzt gilt mein Dank dem Menschen, dem es meiner Ansicht nach gelungen ist, Engagement in eine sachliche, inhaltliche Diskussion zu führen.

     

    Abschließend noch ein herzliches Dankeschön für einen wundervollen Abend im Kreise des Seminars nach der "Eisenhüttenstadt-Exkursion" 1994.

    "Lieber Hartmut Häußermann, das war doch eben erst gerade..."

    Bin sehr traurig...

  • MS
    Michael Schaub

    Er war einer der Professoren, der uns Studenten durch kluge Fragen zum Denken angeregt haben.

    Sozialer Wandel und Stadt sind für mich unzertrennlich mit ihm verbunden. Meine Arbeiten in Lateinamerika hat er immer interessiert unterstützt.

    Danke aus Bolivien hierfür, Prof. Häußermann.

    Sie werden uns fehlen.

  • S
    S.K.

    Mein Großonkel... Er wird mir fehlen!

  • SS
    Steffen Selicko

    Da ist ein Professor und Wissenschaftler von wahrer Größe gestorben!

  • WG
    Wilko Gutmut

    Häußermann war ein Wissenschaftler, der sich nicht nur innerhalb seiner Disziplin heraustat, sondern den Blick über den Tellerrand wagte. Das Thema "Stadt" ist heute so aktuell wie nie zu vor in den westlichen Staaten ebenso, wie in anderen Ländern. Jedem seien Häußermanns Publikationen ans Herz gelegt.