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Sozialwohnungsbau per BundesgesetzPlatz schaffen im Nobelviertel

Ein Bundesgesetz erleichtert den Bau von Sozialwohnungen auch in reichen Stadtteilen. Hamburg macht davon gut Gebrauch. Andere Städte wenig bis nicht.

Passen hier noch Sozialwohnungen hin? Das wohlhabende Borgfeld in Bremen am Ufer der Wümme Foto: Sina Schuldt/dpa

Bremen taz | Gutsituiert sind sie, diese drei Bremer Stadtteile: Im ländlichen Borgfeld verdient man durchschnittlich rund 80.000 Euro im Jahr. In Habenhausen hat eine Wohnung im Durchschnitt mehr als fünf Räume, pro Kopf großzügige 55 Quadratmeter. Und in Neu-Schwachhausen? Leben nur 1,3 Prozent Langzeitarbeitslose; der Bremer Durchschnitt liegt bei 5,4.

Wenn alles glatt läuft, dürfen bald auch ein paar ärmere Menschen in den drei Stadtteilen leben: Die rot-grün-rote Regierungskoalition will, dass dort Sozialwohnungen entstehen. In Habenhausen gibt es bisher nur 17 davon, in den anderen beiden gar keine.

Um das zu ändern, nutzt Bremen nun erstmals ein Bundesgesetz: Das Baulandmobilisierungsgesetz von Juni 2021 ermöglicht es, über „sektorale Bebauungspläne“ für Gebiete ohne regulären Bebauungsplan recht unkompliziert neue Regeln aufzustellen und auch Sozialwohnungen vorzuschreiben.

Die drei Vorhaben, die die Bremer Baudeputation am Donnerstag beschlossen hat, sind kleine Fische: Bei keinem rechnet die Baubehörde mit mehr als zwanzig neuen Wohnungen. Hamburg dagegen plant über dasselbe Gesetz aktuell den Bau von rund 560 Wohnungen, etwa ein Drittel davon Sozialwohnungen. Obwohl sie so unterschiedlich groß sind, sind beide Planungen interessant: Beide sind Vorreiter und wollen Beispiel und Vorbild sein – für die Anwendung eines Gesetzes, das es ab Ende Dezember so gar nicht mehr gibt.

Bisher wird hochpreisig gebaut

In sogenannten „unbeplanten Gebieten im Innenbereich“ haben Eigentümer gewöhnlich bereits ein Baurecht; ein neues Gebäude muss sich dabei in die Umgebung einpassen, darf also zum Beispiel nicht größer sein als Häuser in der Umgebung. Für Sozialwohnungen gibt es keine Vorgaben. Normalerweise nutzen Bauherren die Grundstücke daher, um hochpreisigen Wohnraum zu schaffen. Rund 20 Prozent aller neuen Wohnungen in Bremen zwischen 2013 und 2020 sind auf diese Art auf unbeplantem Grund entstanden.

Natürlich könnte für die Gebiete auch ein „richtiger“ Bebauungsplan erstellt werden; der sektorale Plan kann aber wesentlich leichter und schneller aufgestellt werden. Und: Er ermöglicht das Abweichen von Quoten. Die Stadt kann dem Bauherrn damit bis zu 100 Prozent Sozialwohnungen vorschreiben – sogar dann, wenn das Bauprojekt klein ist und die sonst geltende Bagatellgrenze – in Bremen 20 Wohnungen – nicht erreicht wird.

Gerade mal zweieinhalb Jahre ist dieser Teil des Baulandmobilisierungsgesetzes gültig, Ende 2024 läuft es aus; es war eine Art Testballon. Doch gut zwei Jahre sind nicht viel Zeit, um die Möglichkeiten und Risiken eines neuen Gesetzes zu evaluieren und es an passenden Stellen anzuwenden.

Ex­per­t*in­nen waren davon ausgegangen, dass es verlängert würde. Das Ampel-Aus verhindert das. Die Bremer Linke appelliert schon jetzt an die „nächste Bundesregierung“ das Gesetz wieder einzusetzen. Dass Bremen das Instrument jetzt auf den letzten Metern noch nutzt, kann als politisches Signal gedeutet werden: Doch, doch, wir finden das Instrument interessant.

Daran hätte man Zweifel haben können: Bisher haben nämlich nur München, Hamburg, Regensburg, Hanau und Trier davon Gebrauch gemacht.

Auf taz-Anfrage erklären einige norddeutsche Städte ihre Zurückhaltung: Oldenburg, Osnabrück und Göttingen etwa sehen keinen Bedarf, weil ohnehin ein großer Teil der Städte mit Bebauungsplänen unterlegt sei. Ein Grund fürs Abwarten ist für viele Städte aber auch, dass es wenig Erfahrung mit dem Instrument gibt – die Rechtslage scheint unsicher: Wird man Grundstückseigentümern eine Entschädigung zahlen müssen, wenn man ihnen zusätzliche Bedingungen für den Wohnungsbau vorschreibt? Auch Bremen und Hamburg haben diese Frage noch nicht geklärt.

Hamburg setzt auf Nachverdichtung

Schließlich, so schreiben es etwa Braunschweig, Lübeck und Flensburg, schreckt der Aufwand ab: „Wir finden das Instrument spannend“, so ein Sprecher der Stadt Flensburg, „aber wir bräuchten viel Personal, um passende Gebiete zu finden“.

Die hat Bremen gesucht und gefunden: Eine Studie zur Innenentwicklung der Stadt von 2022 hatte einen eigenen Exkurs zum Instrument des sektoralen B-Plans. Bei der Bewertung von geeigneten Arealen waren zwei Aspekte entscheidend: Wo gibt es überhaupt unbeplante Gebiete mit Ausbaupotential? Und: Bei welchen davon ist die Miete überdurchschnittlich hoch? Denn vor allem dort, wo bisher wenig Sozialwohnungen bestehen, will Bremen neue bauen lassen.

In Hamburg ist alles ein bisschen anders: Der Stadtstaat hatte sich selbst beim Bund für das Gesetz eingesetzt und es auf Landesebene nach nur drei Wochen in eine Rechtsverordnung gegossen. Schon im Dezember 2021 gab es einen gemeinsamen Bürgerschaftsbeschluss von SPD, Grünen, aber auch CDU und Linken, das Gesetz zur Nachverdichtung zu nutzen: Das Gesetz passt auf Hamburg besonders gut, denn ein Großteil des Stadtgebiets ist aktuell nicht von regulären Bebauungsplänen abgedeckt.

Auswahl mit Modellcharakter

Allein in Bramfeld soll ein sektoraler B-Plan für 13 Grundstücke aufgestellt werden, in Eppendorf für weitere sechs Flurstücke. Die sektoralen B-Pläne erlauben es nicht nur, Sozialwohnungen vorzuschreiben, sondern auch, von der bisherigen Vorgabe der „umliegenden Bebauung“ mit relativ wenig Aufwand abzuweichen. So kann dichter und höher als bisher gebaut werden.

Die Auswahl der Bremer Gebiete hat dagegen eher Modellcharakter: „Die ermittelten Flächen sollen (…) die Anwendungsmöglichkeiten (…) in unterschiedlichen räumlichen, baulichen und sozialen Situationen exemplarisch behandeln, um auf diese Weise möglichst viele Erfahrungen für weitere Anwendungsfälle zu sammeln“ heißt es in den Planfeststellungsbeschlüssen. Dass jeweils nur kleine Flächen identifiziert wurden, liegt an der politischen Zielsetzung: Man nutzt die sektoralen Pläne zur Nachverdichtung. Für größere Freiflächen gibt es zumeist auch schon Bebauungspläne.

Fraglich ist, wer eigentlich bauen soll – schließlich hat das an den drei Standorten bisher niemand getan. Die Stadt ist aber zuversichtlich, Bauherren zu finden. Schließlich ermöglicht das Gesetz nicht nur Vorgaben zur Sozialwohnungsquote, sondern auch zur dichteren Bebauung. So könnte sich der Bau sogar mehr lohnen als zuvor.

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2 Kommentare

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  • Bebauung im bisher unbeplanten Innenbereich, das klingt m Artikel so vielversprechend nach Arm gegen Reich.



    Es wird verschwiegen , dass damit vor allem Grünflächen der Bebauung zugeführt werden sollen und das der Fokus der Gesetzesänderung nicht speziell in reichen Vierteln liegt.



    Vor allem Kleingartengebiete, die in vielen Städten großen Raum einnehmen können damit nun einfacher bebaut werden.



    Es ist ach ein Weiter So von Bodenversiegelung, der bisherigen Art zu Bauen und Flächennutzung

    • @Rudolf Fissner:

      Sie weisen durchaus zu Recht auf ein Problem hin, verkürzen m.E. nach aber auch.



      Es kann z.b. Sinn machen, zentral gelegene Kleingartengebiete zu verkleinern, sollten diese „größer“ sein. Dafür sollten dann aber Verkehrstechnisch brauchbar angebundene Ersatzflächen geschaffen werden, welche auch nicht zu weit entfernt sind. Das wäre ja aber auch eine Frage der Ausgestaltung und Umsetzung des Gesetzes. Und man muss und sollte auch nicht alle Grün- und Brachflächen die man findet stumpf zubauen.



      Und wenn keine besonderen Verhältnisse vorliegen, haben sie im Innenbereich auch eher keine „ärmeren“ Viertel.

      Sofern Wohnraum geschaffen werden muss, und man es vom Hitzekonzept und bzgl. der Regenwasser Problematik nicht total versaut, ist es für die Bodenversiegelung auch egal, ob sie diese zentraler oder in der Peripherie betreiben.



      Wenn sie aber zur Erschließung der Peripherie erst neue Verkehrsinfrastruktur bauen müssen, ist das einbeziehen des Zentrums auch eher Notwendig und legitim.



      Konkret könnte man natürlich erst mal überall, wo Möglich, bestehende Bauten aufstocken. Evtl. braucht es dafür Zwang über neue Gesetze, und eine Form von Ausgleich, z.b. Subventionen.