Sozialpolitik für arme Quartiere: Suppenküche soll sich jetzt rentieren
Hamburg streicht das Geld für Jobs der „Sozialen Teilhabe“. Bisher geförderte Projekte, in denen ehemalige Langzeitarbeitslose arbeiten, müssen selbst Geld einspielen.
Der Pottkieker ist eines jener Dutzend Projekte in ärmeren Vierteln, die laut rot-grünem Koalitionsvertrag zwar wichtig sind, nun aber zum wiederholten Mal in Gefahr geraten, weil die Politik Fördermodalitäten ändert. In der Küche, die täglich bis zu 240 Portionen kocht und auch umliegende Kirchen beliefert, arbeiten zwölf frühere Langzeitarbeitslose.
Sie erhalten ein Gehalt auf Mindestlohnbasis nach dem Programm „Soziale Teilhabe“. Das zahlte der Bund. Die Stadt Hamburg gab pauschal 400 Euro pro Platz dazu – als Ko-Finanzierung. Ab dem 1. Januar ist damit Schluss. Im Haushaltsplan 2019 fehlen die 1,5 Millionen Euro, die es stadtweit für rund 300 „Soziale Teilhabe“-Plätze in solchen Projekten gab. In Billstedt und Horn wurden so zum Beispiel ein Familienrestaurant, ein Sozialkaufhaus und Seniorenbegleiter finanziert. Im Hochhausviertel Kirchdorf wurde ein Stadtteiltreff so gestützt und in Steilshoop ein Tierhaus sowie ein Naturlehrpfad für die Kinder der Großsiedlung.
Die Bundesregierung setzt das Programm „Soziale Teilhabe“ zum 1. Januar neu auf. Es gibt die Maßnahme unter neuen Bedingungen, unter einem neuen Paragrafen. Noch nicht beantwortet ist die Frage, wie der ausgelegt werden wird.
Die Hamburger Sozialbehörde spricht euphorisch von einem „Paradigmenwechsel“. Anders als bisher wolle die Regierung die Teilhabe der Menschen „in einem Wirtschaftsbetrieb“ ermöglichen“, schreibt sie in einer Stellungnahme. Das Interesse bei Pflegediensten, Garten- und Reinigungsbetrieben sei „hoch“. Das bisherige Programm laufe deshalb aus. Die Träger müssten sich auf die neuen Bedingungen einstellen. Sprich: Sie müssen Einnahmen erzielen. Zitiert wird noch das Beispiel des Restaurants der „Rathaus Passage“, wo das mit den Einnahmen ja schon gelungen sei.
Alte Möbel und Brillen für Bedürftige
„Rentabilität zu erreichen, ist für den Pottkieker nicht realistisch“, sagt Carmen Krüger. Im Stadtteil Dulsberg lebten viele Menschen in Altersarmut. „Das Essen kann nicht 4,50 Euro kosten und wir können hier keine Preise wie bei Hagenbeck nehmen“, sagt auch Petra Lafferentz vom Träger „Alraune“, der das Tierhaus betreibt.
Bleibe das Geld weg, müsse man wohl auf zwei Fahrer verzichten, sagt auch Uwe Emmenthal von „Nutzmüll“, der mit elf Mitarbeitern der „Sozialen Teilhabe“ alte Möbel, Räder, Computer, Kleidung und Brillen sammelt und an Bedürftige verteilt. „Rentabilität zu erreichen, ist nicht sehr realistisch“, sagt auch Peter Bakker vom Träger „Sprungbrett“, der in Bergedorf eine Kleiderkammer betreibt.
Gefragt, ob es stimmt, dass die Sozialbehörde für 2019 gar keine Mittel für besagte Ko-Finanzierung beantragt hat, sagt Sprecher Oliver Klessmann: „Ja, denn die Struktur der neuen Förderinstrumente unterscheidet sich grundsätzlich von den bisherigen Fördermöglichkeiten“. Es gebe „keine Grundlage“ dafür. Dem hält Lafferentz entgegen, dass das neue Gesetz eine Übernahme von alten Teilnehmern des Programms ausdrücklich vorsehe. Auch richten die Stadtstaaten Bremen und Berlin weiter eine Ko-Finazierung ein. „Es ist eine Frage des politischen Willens“, sagt Lafferentz.
Linke fordert Übernahme-Garantie für alle Teilnehmer
Die Frage ist, was nun zum Jahresende passiert? Laut Klessmann laufen „zur Stunde“ noch Gespräche zwischen Jobcenter und den Trägern, die gelte es „erst einmal abzuwarten“. Auch von den Grünen hört man dies. Laut Lafferentz sind diese Gespräche seit Ende November vorbei. Das Jobcenter habe den Teilnehmern, die größtenteils lieber weiter arbeiten als zurück in Hartz IV fallen wollten, allenfalls „Coaching-Gutscheine“ zur Überbrückung angeboten.
Die Linke fordert eine „Übernahmegarantie“ für alle Teilnehmer, „und zwar dort, wo die Menschen gerade beschäftigt sind“, so Fachpolitiker Jan Rübke. Wo Langzeitarbeitslose keinen Gewinn erwirtschaften, müsse Hamburg weiter mit einer Trägerpauschale einsteigen, ergänzt die Linken-Abgeordnete Carola Ensslen. Die Sozialbehörde müsse Beschäftigung mit einem eigenen Programm fördern und dafür sorgen, dass „soziale Hilfsprojekte erhalten bleiben“.
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