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Sozialleistungen für Asylbewerber40,90 Euro Taschengeld im Monat

Die Hilfen für Asylbewerber in Deutschland verstoßen nach einer Einschätzung der Regierung gegen das Grundgesetz und müssten geändert werden. Doch handeln will sie noch nicht.

Flüchtlinge demonstrieren gegen ihre Unterbringung in Lagern. Bild: dpa

Die Sozialleistungen von Asylbewerbern und anderen Flüchtlingen verstoßen gegen das Grundgesetz und müssen neu berechnet werden. Das ist nicht länger nur eine Forderung von Flüchtlingsorganisationen, Grünen und Linken, sondern die offizielle Einschätzung der Bundesregierung.

Sie geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor. Darin heißt es, die Höhe der Leistungen erfolge "auf der Grundlage von Kosteneinschätzungen" und entspreche "daher nicht den Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts".

Karlsruhe hatte im Februar geurteilt, dass die Ermittlung der Hartz-IV-Sätze verfassungswidrig sei, weil sie nicht transparent und nachvollziehbar berechnet werden. Eine solche Berechnungsmethode forderten die Richter ein. Dies gilt aus Sicht der Bundesregierung nun auch für die Sozialleistungen für Asylbewerber. Daher müssen auch diese neu berechnet werden.

Damit will die Bundesregierung allerdings warten, bis die neuen Hartz-IV-Sätze endgültig verabschiedet sind. Das Bundesverfassungsgericht hat dafür eine Frist bis Ende des Jahres festgelegt.

Im vergangenen Jahr erhielten über 120.000 Menschen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, etwa 80.000 von ihnen die sogenannte Grundsicherung, die vier Jahre lang bezahlt wird. Erwachsene erhalten 225 Euro im Monat und damit ein Drittel weniger als Hartz-IV-Bezieher. Die restlichen 40.000 bekommen Hartz IV.

"Bei Kindern ist der Unterschied noch größer", sagt Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat, ein guter Kenner des Gesetzes. "Für die Sechsjährigen beträgt der Unterschied 47 Prozent, kommt im nächsten Jahr das Bildungspaket von Ministerin Ursula von der Leyen noch dazu, ist es weniger als die Hälfte", sagt Classen. Das führe dazu, dass Kinder "in Badelatschen und ohne Hefte" in die Schule gehen.

Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten Asylbewerber, aber auch Ausländer mit Duldung oder Aufenthaltserlaubnis, die aus verschiedenen Gründen nicht abgeschoben werden können. Viele Bezieher bekommen, insbesondere in Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg, einen Platz in einer Sammelunterkunft und Essenspakete, ausgezahlt wird lediglich ein monatliches Taschengeld von 40,90 Euro. Die Sätze sind seit der Einführung des Gesetzes im Jahr 1993 nicht erhöht worden. Anfangs wurden diese niedrigen Sätze ein Jahr lang gezahlt, 1997 wurde die Regelung auf vier Jahre verlängert.

Während die damalige Bundesregierung anfangs mit dem angeblich befristet zumutbaren Ausschluss von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben argumentierte, habe diese "Integrationskomponente" später an Bedeutung verloren, heißt es in der Antwort. "In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung." In der Antwort äußert sich die Bundesregierung nicht dazu, welchen Bedarf sie bei Flüchtlingen anerkennt.

Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, fordert, den "fortgesetzten Verfassungsbruch mit Schutzsuchenden schnellstmöglich zu beenden" - am besten mit der Abschaffung des Gesetzes. Ähnlich sehen es auch Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Josef Winkler. "Die Summe muss an den Hartz-IV-Satz angepasst werden", sagt Winkler. "Es gibt keinen Grund, beim Existenzminimum zu differenzieren." Die Grünen haben unlängst einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der auf die Abschaffung des Gesetzes zielt. Anfang kommenden Jahres ist eine Expertenanhörung geplant.

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11 Kommentare

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  • P
    Panglotz

    Mit diesen 40 Euro sitzt man dann bspw letzten Winter bei -30°C in einem Eisenhüttenstädter Ghetto mit einer über mehrere Tage defekten Heizung mitten irgendwo im Nirgendwo, wartet auf den Bescheid, der mal 2 Wochen, mal auch 12 Monate oder länger dauern kann. Fahrkarte zum nächsten Supermarkt müssen davon auch gelatzt werden. Da bleibt nicht viel, um sich mal eine Zeitung oder eine Telefonkarte zu kaufen.

  • HS
    Horst Schwabe

    Wenn das denn auch alles Asylbewerber sind - und keine Wirtschaftsflüchtlinge, die hier straffällig werden oder den kalten Winter in ihrem warmen Heimatland verbringen. Im Übrigen täte es den Linken gut, Themen nicht anzuschneiden, die garkeine sind.

  • G
    Gwaelan

    Ich muss mich jetzt doch noch mal melden:

    Wieso sollen denn die Asylbewerber nicht behandelt werden wie jeder andere in Deutschland lebende Mensch auch? Immerhin etwa ein Viertel der einen Asylantrag Stellenden darf hier bleiben. Und deren erste Eindrücke sind Massenunterkünfte, Repressionen und "Taschengeld". Ich könnte mir einen schöneren Willlkommensgruß vorstellen.

    Sie haben sich entschlossen, wegen welcher Umstände auch immer, in ihrem Land nicht leben zu wollen. Aber anstatt sich mit ihnen, ihrer Person und ihren Problemen zu beschäftigen, vielleicht auch schon mal zu überlegen, ob sie sich nicht vielleicht sogar kreativ hier bei uns einbringen könnten, sperrt man sie weg und hofft, sie möglichst schnell wieder ausweisen zu können. Das kann ich einfach nicht verstehen.

  • H
    Hafenpirat

    Frage:

     

    Wenn die derzeitige Regelung gegen die Menschenwürde verstösst... (davon ist, unter Verweis auf das BVG Urteil auszugehen)

     

    ...warum erwirkt in Anbetracht dieses schweren Rechtsverstossen irgend ein ethischer Anwalt (gibt es. vereinzelt.) nicht einfach mal 1-2 einstwillige Verfügungen bei irgendwelchen niederen Gerichten, daß seinen Mandanten "bis auf weiteres" (und sei es, wovon bei dieser "Regierung" auszugehen ist, jahrlang) Bezüge nach den Hartz IV-Sätzen erhält, bis eine ordnungsgemäßge Berechnungsbasis gegeben ist.

     

    Hat das schon irgendein Anwalt versucht?

    Wenn ja: Ist er gescheitert ?

     

    Mich würde irgendwo auch wundern, falls sich dabei tatsächlich Abweichungen ergeben würden. Hat ein Asylbewerber/Gedulteter etwa weniger Anrecht auf Nahrung/Kleidung/Wohnung. Internet und Kommunikationskosten wären sogar höher anzusetzten, da Bürgerkriegsflüchtlinge natürlich...

     

    Allenfalls bei Kultur oder Arbeitssuche könnte man ggf. irgendwas schönreden...

  • A
    a.a.

    @berthold,antischulz,sandra: Boah bei solchen Aussagen könnt ich kotzen und einfach mal kräftig reinschlagen... sorry!

     

    Menschen die in Europa Asyl beantragen dürfen sind Menschen, die in deren Heimatländern politisch verfolgt oder von Gewalt bedroht werden. Diese Menschen sind im Allgemeinen Menschen, die sich hier in unsere Gesellschaft integrieren würden, wenn man sie denn nur lassen würde. Natürlich wird jeder seine/ihre Kultur mit der er/sie aufgewachsen ist beibehalten.

    ABER: es ist Menschen, die Asyl beantragt haben NICHT erlaubt Kreisgrenzen zu überschreiten (Residenzpflicht), sie dürfen nicht arbeiten. Beides Vorraussetzungen um überhaupt die Möglichkeit zu haben sich über Wasser zu halten und sich zu integrieren.

    Menschen, die Asyl beantragt haben und kein Interesse daran haben sich in die Europäische Kultur zu integrieren haben aber auch so weit ich weiß und dies Einschätzen kann ein Interesse daran in ihre Heimat zurückzukehren sobald der Konflikt, wegen dem sie überhaupt geflohen sind, beendet ist.

     

    Ein weiterer Denkanstoß: Menschen die nach Europa kommen dürfen nur in dem Land in dem sie zu erst waren Asyl beantragen. Warum ist dann eine BRD daran interessiert nur noch EU-Binnengrenzen zu haben und die Außengrenzen so weit wie nur möglich von Deutschland weg zu verlagern??? Privatarmeen wie Frontex erledigen dann doch den Rest.

     

    Tear down the walls of Fortress Europe!

    a.a.

  • A
    Antischulz

    Mit welchen Recht fordern diese Menschen denn mehr Geld?

     

    Sie sind hier ohne irgendeine rechtliche Grundlage. Die allermeister werden wieder abgeschoben. In der Zwischenzeit erhalten sie Nahrung, Kleidung, Obach, medizinische Versorung etc. Und das zum Nulltarif!

     

    Sorry, aber Asylanten sind wirklich nicht in der Position hier noch einen großzüge Zusatzzahlung zu fordern.

  • B
    Berthold

    Wieviel Geld haben denn die Heimatvertriebenen nach dem 2. Weltkrieg bekommen? Einmalig 40 Deutsche Mark, erst 1948!

  • G
    Gwaelan

    @sandra @Fragesteller

    Warum schreibt Ihr denn über die Asylbewerber mit ihrem so großzügigen Einkommen und nicht über die Hatz-IV-Empfänger? Die haben mehr als 40,90 € zur Verfügung, leben also in spätrömischer Dekadenz?

    Mir scheint, hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

  • F
    Fragesteller

    Hm, ich habe früher weniger Taschengeld bekommen.

     

    Zu dem soll das auch nur eine Übergangslösung bleiben. Gebt den Leuten ein vernünftiges Dach über den Kopf, genug zu Essen und integrierende Bildung. Einfach mehr Geld "reinbuttern" hilft da auch nicht weiter.

  • S
    sandra

    Was ist mit dem Taschengeld?

    Müssen diese Menschen davon Unterkunft, Essen und medizinische Leistungen bezahlen? Nein, aber es ist schon so selbstverständlich (im Unterschied in anderen Ländern) das es nicht mehr wahrgenommen wird.

  • S
    Schulz

    Die BRD hat Angst, dass die Zahl der Arbeitslosen steigt...

    natuerlich argumentiert so das Jobcenter,

    um deutsche Anspruchsberechtigte nicht in Arbeit zu bringen, weil es so viel Auslaender gibt, die einreisen.

    Ist doch Quatsch, wir brauchen mehr Arbeitsplaetze.

     

    Von mir aus koennen noch 20 Millionen oder mehr einreisen.