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Sozialisten geschrumpftRechtsruck in Ungarn

Haushoch gewinnt die bürgerliche Rechte die Wahlen und übernimmt die Regierung. Neben ihr erstarken die Rechtsextremen: Sie ziehen mit fast 17 Prozent erstmals ins Parlament ein.

Triumph: Bürgerliche Wähler jubeln über das Ergebnis der konservativen FIDESZ. Bild: dpa

BUDAPEST dpa/taz | In Ungarn sind die Sozialisten nach acht Regierungsjahren hart abgestraft worden. Die Rechte gewann die Parlamentswahlen haushoch. 52,8 Prozent der Wähler stimmten für den rechts-konservativen Bund Junger Demokraten (FIDESZ), teilte die Landeswahlkommission (OVB) am Sonntagabend nach Auszählung fast aller Stimmen mit. Damit wird der nächste Regierungschef Viktor Orbán heißen. Es ist jener Mann, der schon von 1998 bis 2002 regierte.

Die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) konnte mit 19,3 Prozent der Stimmen nicht einmal halb so viel Wähler gewinnen wie vor vier Jahren. Bislang hatte sie in einer Minderheitsregierung mit 43 Prozent der Stimmen aus der Wahl von 2006 regiert.

Der Triumph der Rechten ist total, denn neben FIDESZ gibt einen weiteren Wahlsieger auf der Rechten: Mit einer fast 30-köpfigen Fraktion wird die rechtsextreme Jobbik (Die Besseren) im Parlament sitzen, die mit ihrer Hass-Rhetorik gegen die Roma und die politische Elite auch die Stimmen vieler Enttäuschten einsammelte.

Jobbik erreichte damit 16,7 Prozent der Wähler – und zog erstmals ins Parlament ein. Die Rechtsradikalen unterhalten sogar einen paramilitärischen Arm: Die so genannte "Ungarische Garde" wurde zwar 2009 gerichtlich verboten. Doch inzwischen tauchen die glatzköpfigen Schläger unter dem Namen "Neue Garde" als Schutztruppe bei Wahlkampfveranstaltungen auf.

Die links-ökologische Partei "Politik kann anders sein" (LMP) schaffte mit 7,4 Prozent erstmals den Sprung in die Volksvertretung. Die Bekanntgabe der Ergebnisse verzögerte sich um mehrere Stunden, weil die Stimmabgabe in einigen Wahllokalen wegen des großen Andrangs auch nach dem offiziellen Wahlende um 19 Uhr fortgesetzt werden musste. Zu den langen Warteschlangen war es wegen administrativer Unzulänglichkeiten gekommen. Die Wahlbeteiligung betrug 64,3 Prozent und lag damit um 0,1 Prozentpunkte unter der vor vier Jahren.

Nach Berechnungen der Wahlforscher könnte der FIDESZ im Parlament mit seinen 386 Sitzen nicht nur über die absolute Regierungsmehrheit verfügen, sondern sogar über eine Zweidrittelmehrheit. Die Jungdemokraten kämen demnach am Ende auf 260 bis 270 Mandate. Eine zweite Wahlrunde in zwei Wochen (25. April) findet nur in jenen Einzelwahlkreisen statt, in denen es am Sonntag keinen klaren Sieger gab. In Ungarn werden sowohl Parteilisten als auch Direktkandidaten gewählt.

FIDESZ-Chef Viktor Orban erklärte schon bei der Stimmabgabe, "wir werden morgen in einem neuen Land aufwachen". Die regierenden Sozialisten schienen den Verlust von mehr als der Hälfte ihrer Wähler resignativ hinzunehmen. "Ich hoffe, dass jene Kräfte gestärkt werden, die Ungarn auf dem Pfad der demokratischen, europäischen Entwicklung halten wollen", erklärte Ministerpräsident Gordon Bajna vor seinem Wahllokal.

Das rechts-liberale Ungarische Demokratische Forum (MDF) und der liberale Bund Freier Demokraten (SZDSZ), die als Schlüssel-Akteure der demokratischen Wende vor 20 Jahren seitdem in jeder Legislaturperiode über eine eigene Parlamentsfraktion verfügten, sind nunmehr Geschichte. Obwohl sie diesmal zum Teil mit gemeinsamen Kandidaten antraten, scheiterte die MDF-Liste mit 2,7 Prozent klar an der Fünfprozenthürde.

Die Sozialisten wurden von den Wählern offensichtlich für ihr in den vergangenen Jahren zum Teil chaotisches Regieren, für sprungartige Reform- und Sparmaßnahmen und ausufernde Korruptionsskandale abgestraft. Ihr von 2004 an regierender Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany musste vor einem Jahr wegen des Verlusts seiner Glaubwürdigkeit zurücktreten.

Seine "Lügenrede", in der er die Vertuschung der wahren Haushaltszahlen durch seine Partei eingestanden hatte, hatte im Herbst 2006 zu gewalttätigen Protesten von Rechten und Rechtsextremen in Budapest geführt.

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20 Kommentare

 / 
  • S
    Shrike

    @ flanders:

     

    Zustimmung.

    Danke !

  • H
    harun

    was m.e. in den taz-artikeln zum "rechtsruck" i n ungarn unterbelichtet wird, ist, wie die globale kapitalismuskrise in d i e s e nun zum 2. mal "postkatastrophale gesellschaft"(robert kurz)

    barbarisierend und faschisierend hineingewirkt hat.

    es heißt nur, daß die regierenden sozialisten u.a.

    für rigorose sparmaßnahmen "abgestraft" wurden und auch für ausufernde korruption. wenn man die figur des moralisch verkommenen sozialisten guy. als beispiel der moralischen "elite-verwahrlosung" hinzunimmt, kommt schon, wie in anderen von der globalen kapitalistischen krise heimgesuchten ländern ein beachtliches -bei verkürzter kapitalismuskritik- politisch nach rechts treibendes ursachenbündel zusammen:

    zugleich ist in ungarn die "gemäßigte" linke diskreditiert und eine theoretisch potente und praktisch radikale linke scheint zu fehlen:das macht der ungarischen rechten den stimmenfang leicht. leicht.

     

    ganz fehlt in den taz-berichten zum ungarischen rechtsruck, inwieweit da evtl. auch großes internationales kapital, konzerne usw. ihr süppchen kochten und kochen,etwa die rechten finaziell unterstützten..

    diese überlegungen sind nicht akademischer natur:

     

    denn man muß fragen: lassen sich aus dem ungarischen "fall" folgerungen auch für die zukunft in der brd ziehen?

    wer werden hier im ernstfall roma und juden sein und wer alles geldgeber für eine neue rechte, und wer die neuen goebbels? ich wüßte da schon manchen zu benennen...

  • T
    tageslicht

    Hui,

     

    rufen da mal wieder alle rechten/rechtsextremen Portale Deutschlands einschließlich PI zum Zuspammen der taz'schen Kommentarseite auf?

     

    Trotz oder gerade wegen der vielen mehr oder minder schwachsinnigen Kommentare hier, kann ich dieses Wahlergebnis nur bedauern. Wie rechtspopulistisch die Fidesz wirklich ist, darüber lässt sich sicher streiten, aber dass eine offen faschistische Partei mit völkischer Gesinnung, "Saalschutz" und allem drum und dran, gleich mit 17% in das Parlament einzieht, ist mehr als nur besorgniserregend.

  • FP
    Fige Pannsen

    ernsthaft frage ich mich, was für menschen die tazartiekl immer kommentieren?

    ich dachte die taz wird von eher links gerichteten menschen gelesen und nicht von antisemiten und faschichsten. schade...

  • N
    Name

    Ach vic, so was ist mit den Nationalisten doch nicht zu machen.^^

     

    Tja, und hier haben wir ansonsten wieder das, was zu erwarten war: die Rechten, die aus ihren Löchern kommen, um ihren Müll in Kommentarform zu verbreiten und das dann auch noch als Sieg der Demokratie und Verteidigung der Werte und was weiß ich nicht noch alles verkaufen, nicht aber vergessen, vor dem allgemeinen Linksruck und dem Gutmenschentum zu warnen...

     

    Dies zeigt doch, welch Geistes Kind diese Kommentatoren sind, wenn ein solcher Zuspruch zu menschenverachtenden Ideologien, zu Hass und zu Gewalt auch noch gefeiert wird.

     

    Damit ist Ungarn nicht geholfen. Man kann jetzt nur abwarten, ob FIDESZ auch ohne Nationalismus das Land stärken kann, damit Jobbik die Grundlage entzogen werden kann. sehr wahrscheinlich wirkt es im Moment nicht...

  • VG
    von g

    rechtsruck,weil die leute ,die bisher unter "linke richtung" ,die sogenannten "sozialisten" regiert haben,alles verkauft,geklaut,versäumt hatten,was es nur ging.das land ist moralisch,wirtschaftlich am ende, den leuten wurde die glaube in der zukunft genommen.die 5 millionen ungar im ausland(romänien, slowakei,ex-yugo,usw.) wurden ausgeschlossen,von denen die zweitstaatsbürgerschafft verweigert,wurde zugelassen in den nachbarnländer,dass sie dort (weil minderheit sind) belestigt werden (oft gehauen,verprügelt,weil die einfach ungar sind)

    "zigeunerproblem"(meine integration) gabs leider immer(auch in den zeiten bis 1990,wurde auch nie richtig gelöst),nur zur zeit ist es mittlerweile so problematisch,dass es für alle LEBENSGEFÄHRLICH geworden ist.Für ALLE,nicht nur für die Romas. Und wenn es so weiter geht,wird die Jobbik(rechtsradikale partei) weiterhin present sein und gestärkt unterstützt.(manche leute hier würden sich richtig wundern,wenn sie wüssten,dass außer glatzköpfe,viele enttäuschte ex-soci wähler diese partei unterstützt hatten.)also,lösung muss her, was die meisten romas auch erkannt haben und fidesz gewählt hatten in der hoffnung,dass es in der zukunft für alle beteiligten besser wird.

    manche hier aussern sich natürlich gerade deswegen,weil es um "rechtsruck" geht,ohne irgendwelche echte hintergründe und die echte (politische) lage in Ungarn zu kennen und sie bestempeln die Ungar doof,antisemitisch und rassistisch.

    bisschen nachvorschung schadet manchmal nicht,erst sich informieren,dann kritisieren

    und bevor ich hier angegriffen werde,ich bin ungarin(lebe aber noch in deutschland)und weiß wie es ist in meinem land zu ging und zu geht.

  • V
    vic

    Die BRD von Hassfratzen umzingelt.

    Und in des Volkes Mitte dieser BRD schlummert ebensolches Potential und wartet nur noch auf den geigneten Führer.

    Auf dass Europa Großeuropäisches Reich werde.

  • F
    flanders

    Na, da müssen wir aufrechten deutschen Demokraten (ich glaube sogar, wir haben die Demokratie erfunden!) den Ungarn aber jetzt mal deutlich erklären, wie das geht. Also so schon mal gar nicht. Einfach so nicht links zu wählen...

    Ich esse jetzt aus moralischem Boykott einen Monat lang keine ungarische Gulaschsuppe mehr.

     

     

    (das einzutippende Wort zur Spamvermeidung ist schon wieder "gras". Langsam kriege ich Angst vor dem Internet)

  • S
    Spin

    @Markus Raschke: Sie finden, es sei "ein Tag der Freude". Warum? "Eine Partei baut Mist und sie wird abgewählt". Sie verschweigen: zugunsten von Nationalisten, Antisemiten, Antiziganisten.

     

    Damit mal klar ist, wie der nun "um sich greifende Ordnungsverfall" aufgehalten werden soll: durch Hass auf Minderheiten und die Beschwörung eines völkischen Ungarn. Bravo, da ist Ungarn ja echt nen Schritt weiter gekommen!

  • E
    edmund_burke

    oh, schon wieder so ein ominöser "rechtsruck". nur seltsam, dass all dies so genannte rechtsgeruckel das langfristige linkswegdriften europas nicht aufzuhalten vermag. margaret thatcher nannte das den "ratchet-effekt".

  • PB
    Pater Brown

    "Haushoch gewinnt die bürgerliche Rechte die Wahlen und übernimmt die Regierung. Neben ihr erstarken die Rechtsextremen: Sie ziehen mit fast 17 Prozent erstmals ins Parlament ein."

     

    Wenn die Herrschaften "Wahlen" gewonnen hätten, müssten sie doch auch "in Parlamente" einziehen, oder? Die journalistische Versessenheit auf den Plural vernebelt regelmäßig den Blick auf die Realität.

  • A
    Andres

    Den Rechtsruck gibt es nicht nur in Ungarn.

    England, Österreich, Italien, Rumänien, Schweiz sind weitere Beispiele.

  • R
    Rüdiger

    Stehen Leute wie Fischer und Schröder schon in den Startlöchern, um gegen Ungarn Sanktionen vorzubereiten, wie bereits 2000 gegen Österreich?

  • S
    Schnecke

    Pfui, Ungarn !

  • MR
    Markus Raschke

    Das ist ein Tag der Freude für alle Ungarn und für alle Demokraten. Man sieht daran, dass Ungarn eine wahre Demokratie ist. Eine Partei baut Mist und sie wird abgewählt. So muss es sein und so haben die Ungarn entschieden. Die Korruption und die sozialistische Pleitewirtschaft sowie der um sich greifende Ordnungsverfall werden nun bald beendet sein.

     

    Meine herzlichsten Grüße und Glückwünsche an alle Ungarn!

  • J
    JottHa

    Ein normales demokratisches Leben beinhaltet, daß Mehrheiten entstehen. Da muß man nicht jammern, wenn diese mal in die Richtung tendieren, die einem humanistischen Weltbild widersprechen.

    Ungarn zeigt einmal mehr auf, daß Regierungen zu oft nicht in der Lage sind zu regulieren im Sinne des humanistischen Gemeinsinns. Wahrscheinlich an Ermangelung von tiefergehender Bildung.

  • HS
    herrn Schmilz

    Europa ohne Sozialdemokratie.

    Tony Blairs neoliberale "New Labour", Gerd Gazproms Räuberbande von Adecco-Clement über Sklaverei-Hartz bis runter zu Rassismus-Sarrazin, die Italienische Linke im Dauerkniefall vor der Mafia im Präsidentenpalast, die schlicht nicht vorhandene Gegenpolitik zu Sarko' in Frankreich, von der Pasok gar nicht erst zu reden ...

    Und jetzt also Ungarn.

    Was ist nur mit der gemässigten Linken los?

  • T
    tom

    keine. weil das extra gewählt wird, das europäische parlament...

  • W
    wolf

    Herzlichen Glückwunsch, Ungarn!

  • H
    harry

    welche auswirkungen das wohl auf die lagerverteilung im europäischen palament haben wird und damit auf unsere gesellschaft hier?