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Sozialforscher über Jungenpolitik"Mit Jungs reden"

Ein Jungenbeirat soll herauskriegen, was Jungs wollen und denken. Sie als benachteiligtes Geschlecht zu behandeln, greife zu kurz. Man muss genauer hinsehen, sagt Sozialforscher Marc Calmbach.

Mit Ballett bringt man die meisten Jungen wohl nicht dazu, Geschlechterklischees zu überdenken. Bild: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Herr Calmbach, Sie sind einer von sechs Wissenschaftlern, die ab Februar im Beirat Jungenpolitik des Familienministeriums arbeiten. Wozu braucht man den Jungenbeirat?

Marc Calmbach: Die Idee ist einfach: Wir wollen nicht über die Köpfe von Jungen hinweg, sondern gemeinsam mit ihnen Impulse setzen für Jungenpolitik. Wir wollen rauskriegen, welche Männlichkeitsnormen Jungen im Kopf haben und wie sie damit umgehen.

Interessiert pubertierende Jungs das überhaupt?

privat
Im Interview: 

Marc Calmbach, 35, ist Direktor der Sozialforschung am Sinus-Institut für sozialwissenschaftliche Forschung in Berlin.

Man kann natürlich nicht in eine Klasse gehen und sagen: Heute sprechen wir über Gender-Mainstreaming. Da wird man keine Jubelstürme auslösen. Man muss die Themen behandeln, zu denen Jungs einen unmittelbaren Bezug haben und bei denen sie Geschlechterfragen debattieren, ohne dass ihnen das womöglich bewusst ist.

Welche Themen sind das?

Breakdance und Hiphop zum Beispiel. Wenn man dann mit den Jungs darüber spricht, was beim Hiphop passiert und was beim Frauen-Rugby, dann verstehen die das. Dann haben sie das Gefühl, man spricht mit ihnen über Dinge, die ihren Alltag betreffen und nicht aus der Erwachsenenwelt kommen.

Derzeit werden Jungen als das benachteiligte Geschlecht behandelt.

Das ist eine pauschalisierende Aussage, die so nicht aufrechtzuerhalten ist. Es gibt keine Studien, die belegen, dass die Feminisierung der Pädagogik dazu beigetragen hat, dass Jungen heute die Verlierer im Bildungssystem sind. Deshalb müssen wir hier genauer hinsehen.

Was brauchen Jungen?

Es geht darum, Geschlechterrollen nicht einfach glattzubügeln, sondern eine Vielfalt herzustellen. Der Zivildienst beispielsweise bot jungen Männern die Möglichkeit, Geschlechterklischees abzubauen. Wenn der Zivi-Dienst jetzt wegfällt, fehlt das leider.

Im Beirat sollen Jungen selbst zu Wort kommen. Wie werden sie ausgewählt?

Es sollen Jungs aus unterschiedlichen Lebenswelten sein: aus bildungsnahen und aus bildungsfernen Schichten und aus migrantischen Familien.

Was braucht eine zeitgemäße Geschlechterdebatte jenseits des jüngst entbrannten Streits zwischen Familienministerin Kristina Schröder und Altfeministin Alice Schwarzer?

Eine gewinnbringende Diskussion sollte sich loslösen von festgefahrenen Paradigmen, der auf Grabenkämpfe aus ist. Ich glaube, viele Jugendliche sind an dieser Stelle längst viel weiter als Erwachsene.

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14 Kommentare

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  • SS
    Susi Sonnenschein

    Ich glaube es gerade nicht!!

     

    Da stellt sich dieser Typ dahin und sagt, der Zivldienst hätte Geschlechterklischees abgebaut...

     

    Zum Einen ist es eine absolute Frechheit den Geschädigten gegenüber diese faschistische, sexistische und millitaristische (Ersatzdienst)Zwangsmaßnahme zu rechtfertigen und zum Anderen hat der Zivildienst selbst Geschlechterklischees in sich produziert, da ja nur Männer dazu gezwungen werden und Frauen freigestellt sind.

     

    Und der Kerl darf auch noch an einer Uni unsere Kinder unterrichten? Bin ich im falschem Film?

     

    Bund/Zivildienst als Schule der Nation oder wie?

     

    Besser hätte es der Kaiser oder der Führer auch nicht sagen können.

     

    Widerlich und menschenverachtend. Jungs als Sklaven des Staates oder wie?

     

    Mein Sohn wird den Teufel tun.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Es stünde der TAZ übrigens einmal gut an, die Feststellungen von Harald Martenstein aus dem Tagessiegel http://www.tagesspiegel.de/meinung/jungs-sind-an-allem-schuld/2332032.html zu lesen.

  • SB
    Siegfried Bosch

    @systemix: Meistens beenden Frauen die Beziehungen und sorgen so dafür, dass Jungen ohne Vater aufwachsen. Die Väter, die "sich verdrücken" (womöglich noch durch ein "Ich bin mal Zigaretten holen"), sind eine verschwindend kleine Minderheit.

    @j.m.: Ich habe in meiner ganzen Schulzeit solche Sätze nie gehört. Aber ich habe sinngemäßg von Lehrern und Lehrerinnen Sätze wie die folgenden gehört:

    "Mädchen sind sozial cleverer, biologisch früher und weiter entwickelt und im Grunde das überlegene Geschlecht überhaupt", "Frauen sind besser, klüger und intelligenter. Männer dagegen, ich formuliere das mal etwas salopp, eher so wie die Neandertaler. Dumpf, zu keinen echten Empfindungen fähig und nur groß im Hauen und Schlagen. Bei gleichen Chancen sind Frauen immer besser.", "Bei gleichen Chancen wird nur den Frauen die Zukunft gehören".

    Entsprechende Vorurteile gegen Mädchen gab es nicht. Ich glaube deshalb, dass es wesentlich mehr Lehrer und Lehrerinnen gibt, die Jungen nicht mögen, als umgekehrt. Und das ist sehr wohl eine Benachteiligung.

  • C
    Christian

    Es ist gut, dass sich auch auf der politischen Ebene etwas für Jungen bewegt. Wenn man bedenkt, dass seit über 20 Jahren Jungenarbeit geleistet wird, dann ist das ein wichtiger Schritt um diese Arbeit zu unterstützen!

  • AS
    Alice Schwarzers Blödzeitungs - Alptraum

    Wie konnte es nur passieren, dass die Taz-Frauen-Beauftragte und die Taz-Ober-Quoten-Redakteurin diesen Text und diese männlichen Leserkommentare durch ihre links-rot-grüne Gutmenschenzensur haben durchlaufen lassen?

    Merke - Auch die Gutmoral gepachtet habende links-rot-grün-feministische Zensorinnen sind nicht perfekt.

  • J
    j.m.

    ich kann noch erwachsene männer mit einer kleinen erläuterung des begriffs der verwirrung der geschlechter (butler) und dem augenmerk darauf, dass geschlechterklischees darauf basieren, dass es eben nichts vordiskursives gibt, vor den kopf stoßen.

    umso besser, wenn man das mal mit jungen jungen bespricht. immer schwierig, wenn es eine extrainstanz dafür gibt, aber wie geht es denn sonst?

    zur benachteiligung:

    so lange ist meine schulzeit auch noch nicht her, und die jungs, die von einer lehrerin nicht gemocht wurden, waren auch die, die oft respektlos gegenüber lehrerinnen waren, so nach dem motto "vertrocknete alte, die hat niemanden, da lässt sie es an mir raus". solcherlei formulierungen über einen mann habe ich selten gehört. es müssen sich eine ganze menge dinge ändern.

    es gibt lehrer, die mögen keine mädchen. es gibt lehrer, die mögen keine jungs. es gibt lehrerinnen, die mögen keine jungs, es gibt lehrerinnen, die mögen keine mädchen. es gibt lehrer und lehrerinnen, die mögen keine schüler im allgemeinen. und meistens mögen sie eben welche und andere nicht.

    alles nur menschen.

    wenn wir auch über diese themen immer weiter in geschlechterklischees sprechen, können diese auch nie dekonstruiert werden.

  • J
    Jenny

    Und, Tenzin, warum WERDEN denn nicht mehr von Ihren Geschlechtsgenossen Grundschullehrer? Weils dafür keine Kohle gibt, richtig? Weil sich für Kinder zu interessieren, weiblich und bei einem Mann weibisch ist, richtig?

     

    Aber an Geschlechtergerechtigkeit brauchen wir ganz bestimmt nicht mehr zu arbeiten, nach der vielen Emanzipation in den letzten Jahrzehnten...

  • S
    systemix

    Jungen werden in ihrem Wesen heute eher nicht verstanden. Waren es in der Nachkriegszeit die vaterlosen Jungen, deren Erzeuger in Stahlgewittern für das dritte Reich gefallen waren, so fassten sie doch in einer damals noch von Geschlechterrollen gefestigten Welt rasch Fuß.

     

    Die heutigen Jungen wachsen zwar auch ohne Vater auf, doch sind die Erzeuger meistens quicklebendig und hatten vielfältige Gründe sich zu verdrücken. Damit geraten die Jungen aber in eine für sie nicht nachzuvollziehende Rolle. Die Mutter überträgt unbewusst ihren Hass über den verschwundenen Vater auf den Sohn. In zu vielem erinnert er sie an die verflüchtigte Wurzel der Kränkungen. Der Zeitgeist führt zusätzlich dann geradewegs in eine Feminisierung der Jungen, welche dagegen natürlich aus reinem Überlebenswillen ein Machotum entwickeln. Es ist eine Hyperkompensation.

     

    Diese Unterlegenheitsgefühle fallen dann bei Gleichaltrigen mit Migrationshintergrund auf fruchtbaren Boden. Es entstehen so Symbiosen, die bis zum offenen Schwulenhass reichen. Das Eine hat zwar mit dem anderen nichts zu tun; doch allein der Gedanke an eine Verweiblichung ist unerträglich für sie.

    Das ist die Realität.

     

    In der Schule ist dies deutlich zu merken und dadurch leidet die Mitarbeit im Unterricht, was zu weiterem Zurückfallen hinter die weiblichen Konkurrenz führt. Das ergibt einen Kreislauf, der von feministischer Seite durchaus begrüßt wird. Bestätigt er doch, dass Männer nur eins im Sinn haben und zu anderen Tätigkeiten nichts taugen.

     

    Dass es aber gerade diese Mütter waren, die tatkräftig zu dieser verkorksten Jungenentwicklung beigetragen haben, wollen sie nicht wahrhaben. Nur gilt nicht nur für Jungen die Feststellung: Freunde kann man sich aussuchen - Eltern dagegen nicht.

  • M
    Michael

    Wie habt Ihr den Artikel eigentlich bie euren Redaktionsfeministinnen durchgekriegt? Nach kurzer Rücksprache mit Alice?

  • I
    Ichhase

    es gibt sozial gesehen viel mehr als nur zwei Geschlechter.

  • G
    Gert

    genau, Eugen, wenn sie wissen, dass echte Jungen nicht weinen und nicht schwul sind, dann haben sie sich ja wohl alle mal genug mit dem Thema befasst.

  • T
    Tenzin

    "Migrantische" Familien? Welch böldsinniges und inhaltsleeres Wortgeklingel!

     

    Aber davon einmal abgesehen: Selbstverständlich werden Jungen im Erziehungswesen benachteiligt, wie ich es als Lehrer in NRW seit Jahrzehnten beobachten kann/muss. Wie oft ich (selbst von Müttern) den Seufzer hörte: "Endlich einmal ein Mann als Lehrer!" vermag ich schon gar nicht mehr zu sagen.

  • P
    peter.m.

    dem kommentar von eugen ist nichts hinzuzufügen! danke dafür!

  • E
    eugen.rattinski

    Was Jungen am wenigsten brauchen, sind indoktrinierende Ratschläge von gender-Neusprechlern aus dem Ministerium für alle außer Männer, wie sie ihre "Geschlechterrolle" überdenken sollten, und dass sie gefälligst ihre weiblichen Seiten in sich entdecken sollten.