Sozialamts-Mitarbeiterin zahlt Unterhalt aus eigener Tasche: Sozialamt sozial überfordert
Statt fälligen Unterhalt beim Vater einzutreiben, zahlte eine Mitarbeiterin des Bremer Sozialamtes über Jahre aus eigener Tasche. Niemand merkte etwas.
BREMEN taz | Irgendwann im Jahr 2008 war es, da lud das Jugendamt Tatjana Kriete und ihren Sohn ein. Er sei ja nun 18 Jahre alt geworden, erklärte eine Mitarbeiterin, die Zeit der Amtspflegschaft sei zu Ende. Dann drückte sie der alleinerziehenden Bremerin jenes Schreiben in die Hand: Darin teilt das Amt offiziell mit, dass der Mutter rund 25.000 Euro Unterhaltszahlungen zugestanden hätten. Bekommen hatte sie rund 10.000 Euro.
Kriete "könne das ja einklagen", habe die Frau vom Amt gesagt, erinnert sich die Mutter. Sie habe das damals nicht verstanden und den Zettel einem Anwalt gegeben. Gestern nun gab in letzter Instanz das Bremer Oberlandesgericht (OLG) Tatjana Kriete im Grunde Recht - Geld bekommt sie trotzdem nicht.
Kriete hatte auch früher manches nicht verstanden: Die in den 90er Jahren zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes sei sehr nett gewesen, sie habe sie aber jeden Monat dreimal anrufen müssen, um die Unterhaltszahlungen auch zu bekommen. Erst nach heftigem Drängen kam offenbar immer wieder Geld, verschiedene Summen, eine Abrechnung dafür will Kriete nicht bekommen haben.
Als die erwähnte Mitarbeiterin 2003 für längere Zeit krank war, fiel ihrer Vertretung auf, dass diverse Akten nicht bearbeitet waren. Die Zahlungen an Tatjana Kriete hatte die Sozialamts-Mitarbeiterin aus ihrer eigenen, privaten Kasse geleistet. Eine Kontrolle fand nicht statt - obwohl Kriete sich mehrfach bei Vorgesetzten beklagt hatte.
Auch vor Gericht hatte die alleinerziehende Mutter dann kein Glück: Das Bremer Amtsgericht stellte fest, die Forderungen an den Vater seien verjährt, jedenfalls für die Zeit bis 2001. Das Landgericht befand, verjährt seien auch die Forderungen an das Sozialamt: Dieses hatte es in den 1990er Jahren versäumt, einen Teil des Unterhalts direkt beim Vater des Kindes einzuklagen.
Zumindest dies korrigierte nun das OLG: Die Ansprüche seien nicht verjährt, stellten die dortigen Richter fest, und dass der Fall "kein Ruhmesblatt für die Stadtgemeinde" sei. Weil aber nicht mehr feststellbar sei, wie viel man beim Kindsvater hätte eintreiben können, schlugen sie als Vergleich nun eine Summe vor, die gerade mal ausreicht, um Krietes Anwaltskosten zu bezahlen.
"Enttäuscht" sei sie, erklärte die Frau nach der Verhandlung: dass die Bremer Sozialbehörde zwar einräume, dass in ihrem Fall alles schief gelaufen sei, was schief laufen könne - aber dennoch den Regierungsanwalt damit beauftragte, den Zahlungsanspruch durch alle Instanzen zu verweigern.
Der Sohn will mit seinem leiblichen Vater nichts zu tun haben. Er studiert inzwischen Maschinenbau - und jobbt nebenher, um das Geld für das Studium zusammenzubekommen.
Aber warum hat die Sozialbehörde die Sache nicht großzügig geregelt? Darüber habe es nie eine politische Entscheidung gegeben, sagt eine Sprecherin: Die Rechtsabteilung habe in dem Streit eine Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche gesehen. Auch die Sachbearbeiterin übrigens, die Jahre lang privat "Unterhalt" gezahlt hatte, bekam das Geld bisher nicht zurück.
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