Sowas kann nur Rita!

■ Oldenburgs Handball-Institution Rita Köster auf dem Weg nach Barcelona

Samstagabend, Pokalhalbfinale zwischen dem VfL Oldenburg und Walle Bremen. Nur noch zwei Sekunden bis zur Halbzeit, Freiwurf für die Gastgeberinnen. Oldenburgs Nummer 9 eilt heran, greift sich den Ball und schmettert ihn an Walles Abwehrmauer vorbei ins Netz. Tor für Oldenburg, Halbzeitpfiff, ein euphorisierter Hallensprecher. „Sowas“ ruft er ins Mikrophon, „kann nur Rita Köster.“

Rita Köster, die Frau mit der 9, ist zwar erst 31, doch längst schon eine Institution in Oldenburg. Seit fast zwanzig Jahren spielt sie Handball für den VfL; dank ihrer Tore gewann der Club den Deutschen Pokal, die Vizemeisterschaft und erreichte das Europacup-Finale. Knapp zehn Jahre sind seither vergangen; Rita Köster wirft noch immer Tore am Stück, doch für ganz oben reicht es nicht mehr: Das Spiel gegen Walle ging mit 17:31 verloren.

Der Grund für den Sturz ins Mittelmaß: während andere Vereine im Laufe der Zeit zum Profitum übergegangen sind und ihre Aktiven mehr oder weniger üppig entlohnen, hält der VfL Oldenburg an der reinen Lehre des Amateurstatus' fest. Geld gibt es nicht zu verdienen, weder offiziell noch unter der Hand.

Talentierte Ballwerferinnen zieht es da eher nach Walle, Leverkusen oder Lützellinden. Nur Rita Köster nicht. Sie hat alle Angebote der Konkurrenz verschmäht und ist dem VfL treu geblieben — auch ohne Geld. Ausgezahlt hat es sich trotzdem. „Mein Idealismus ist mir gut bekommen“, sagt sie, „nicht nur im Sport, sondern auch im Leben.“

In der Tat — Rita Köster hat alles im Griff. Ein ordentliches Abitur, beruflich bildet sie bei einer großen Oldenburger Bank die Nachwuchskräfte aus. VfL-Trainer Robert Schumann zollt ihr Respekt: „Rita hat sowohl im Sport als auch im Beruf Karriere gemacht. Das gelingt nur ganz wenigen.“ Dafür hat sie auf vieles verzichten müssen, was ihr aber nicht schwergefallen ist: Die alte Sportlerweisheit, wonach nur einem gesunden Körper ein brauchbarer Geist innewohnt, ist immer auch ihr Credo gewesen.

So eine Sportlerin taugt zum Vorbild: Die wöchentlich eingehende Fanpost ist beträchtlich, beim Oldenburger Handball- Nachwuchs „wollen alle immer die Nummer 9 tragen, weil ich sie trage.“ Dabei ist Rita Köster eine Frau mit allerlei Kanten: Coach Schumann nennt sie „kritisch, aufmerksam, manchmal unbequem“, dem Deutschen Handball-Bund galt sie lange als Rebellin. Weil die Oldenburgerin mit dem damaligen Bundestrainer Ekke Hoffmann nicht klarkam, erklärte sie 1982 ihren Rücktritt aus der Nationalmannschft — mit gerade 22 Jahr3n. Viele Kolleginnen hatten damals dem ungeliebten Coach ebenfalls die Zusammenarbeit gekündigt, doch nur Rita Köster sagte ganz deutlich, „daß Hoffmanns unerträgliches Verhalten den Spielerinnen gegenüber“ der Grund war.

Sieben Jahre später — Hoffmann war nicht mehr im Amt — wurde sie wieder ins Nationalteam berufen, Bundestrainer Strauch braucht sie für die Olympischen Spiele in Barcelona. Dort will sie — Dabeisein ist eben nicht alles - eine Medaille holen, ehe sie ihre Karriere beendet. Die Vorfreude ist schon jetzt enorm bei der Olympionikin: „Es muß schon ein tolles Gefühl sein, bei Olympia zu spielen — grade für mich als einzige Amateurin in der Mannschaft.“ Holger Gertz