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■ SoundcheckGehört: David Bowie

Gehört: David Bowie. Er ist die Stimme. Noch bevor man im Zwielicht auf der Bühne der Donnerstag ordentlich gefüllten Alsterdorfer Sporthalle etwas ausmachen konnte, war bereits diese Stimme im Raum, voll Pathos und Melodrama. Mit ärmellosem T-Shirt und Kurzhaarfrisur sah der 49jährige Star unerwartet jung und 70ies drein. Fern sind die seriösen Tage als Versicherungsvertreter von Tin Machine. David Bowie recycelt sich heuer selbst, und zwar in der Phase, in der ihn viele am liebsten konservieren: 1977.

So suchte er das neue Album Outside – ein Hörspiel mit verteilten Rollen, alle von Bowie selbst gespielt – mit Songs wie „Scary Monsters“ zu durchsetzen. Ein Spagat über die Zeiten, der zunächst gelang. Hat er doch mit Hilfe von Brian Eno ein Konzeptalbum mit versponnenem Pop-Appeal verfertigt, das an Hall, Klangschwaden, Astronautik, Endzeitstimmung und Westentaschen-Existentialismus an alte Zeiten heranreicht.

Multiperspektivisch wird der Mord an Baby Grace, 14, kommentiert. Detective Professor Adler, die Hauptperson auf Outside, fragt sich beim Anblick von Baby Grace Blue mit fein säuberlich abgetrennten Gliedmaßen und abgelassenem Blut, ob dieser Mord auch Kunst sei. So wird im Booklet an die alte These der Beziehung von Frauenmord und Kunstproduktion angeknüpft, die etwa Klaus Theweleit beschäftigt und die der Film Copykill gegenwärtig beim Wort nimmt. Doch ein einfaches „killing women into arts“ demaskierte Bowie beim Konzert als männlichen Kunstmythos, indem er als Baby Grace einen Blumenstrauß herzte und dem Opfer so Gefühle gab, bevor er/sie sich selbst würgte. Daraufhin erzählte er die Geschichte von dem Mann, der erschossen wurde, als er sagte: „Frauen sollten keine Bücher schreiben.“

Visuell konnte er das Rollenspiel kaum umsetzen. Die Bühnenausstattung glich eher einer schlechtsortierten Kunsthandlung: Neoklassizistische Büsten standen verhüllt brütend herum. Da hat sich der begnadete Eklektiker schon mal geschickter bedient. Den großen Hallen mochte er zudem das ambitionierte neue Album wohl nicht pur zumuten und rockte manchmal bis an die Schmerzgrenze los. Als dann noch „Under Pressure“ anklang, war klar, daß Bowie noch mal mit einem geseufzten „Ich komm nie weg davon“ auf die Bühne gerufen wurde. Er ist halt der Spaceboy.

Volker Marquardt/Foto: jms

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