„Soumoud-Karawane“: Solidaritätskonvoi mit Gaza unerwünscht
Der in Tunis gestartete Konvoi von 1700 Freiwilligen steckt in Zentrallibyen fest. Die ägyptischen Behörden lassen eine Weiterreise nicht zu. Unklar ist, wie es nun weitergeht.

Die mit Ägypten verbündete ostlibysche Regierung hatte daher die 150 Busse und Privatwagen der „Karawane der Hartnäckigkeit“ östlich der Stadt Sirte, in der geografischen Mitte Libyens, gestoppt. In der Nacht auf Samstag ließen sich die aus allen Gesellschaftsschichten kommenden Freiwilligen in ihren mitgebrachten Zelten auf einer Landstraße nieder. Die Organisatoren haben offenbar noch nicht entschieden, ob sie, wie zuvor mit der LNA abgesprochen, über Nebenstraßen an die ägyptische Grenze gelangen und dort mit dem ägyptischen Grenzbeamten über die Modalitäten der Weiterfahrt verhandeln.
„Die Sympathiewelle der letzten Tage lässt eine Umkehr nach Tunis absurd erscheinen“, sagt Wissam Sghair aus Tunis. Der politische Aktivist war wie viele andere Teilnehmer des Soumoud-Konvois seit 2010 auf vielen Straßenprotesten aktiv, die zu dem Sturz des Langzeitherrschers Ben Ali führten und zu der mächtigsten Bürgerbewegung der arabischen Welt wurden.
„Das mag der Grund sein, warum die Autoritäten in Ostlibyen und Ägypten den Solidaritätskonvoi fürchten“, sagt ein anderer Teilnehmer der taz am Telefon. Seinen Namen möchte er aufgrund der Angst vor Problemen im Falle einer Weiterfahrt nicht nennen. Nur Stunden zuvor war er wie die meisten Mitreisenden noch sicher, am kommenden Wochenende in El Arish oder Ma`Bar Rafah an der Grenze zu Gaza für das Ende der Blockade des Gazastreifens und das Ende des Krieges demonstrieren zu können.
In Westlibyen wurde der Konvoi noch gefeiert
In dem unter der Kontrolle der Regierung in Tripolis stehenden Westlibyen hatten lokale Bürgerinitiativen regelrechte Straßenfeste organisiert. Als der Fahrzeugkonvoi in Zauwia, Tripolis, Zliten und Misrata für Zwischenstopps hielten, lag Proviant bereit, an langen Tischen wurden weitere Solidaritätsaktionen mit den Palästinensern erörtert, vor allem lernte man sich kennen. Denn wegen der bürgerkriegsartigen Verhältnisse in Libyen und der aktuellen politischen Spannungen zwischen Vertretern des politischen Islam und seinen Gegnern ist der Austausch zwischen den Maghreb-Staaten auf ein Minimum gesunken. „Die libysche Gastfreundschaft hat mich sehr beeindruckt“, so Wael Naouar, einer der Sprecher und Mitbegründer der Soumoud-Initiative.
„Vielleicht ist ja egal, wie weit wir kommen“, sagt der Ingenieur Mohammed aus Algier, „schon jetzt ist aus der Aktion eine regionale Bewegung geworden. Das Grauen in Gaza hat dazu geführt, dass die lähmende Isolation der letzten Jahre zwischen unseren Ländern hinterfragt wird.“
Doch vorerst wird vor allem die politische Haltung der Regierenden deutlich. Die Soumoud-Karawane ist Teil des „Globalen Marsches für Gaza“. 4000 Mitstreiter:innen aus 32 Ländern hatten sich angekündigt und waren am Donnerstag per Flugzeug auf dem Weg nach Kairo. Die letzten 50 Kilometer wollten sie zusammen mit den Teilnehmern der Soumoud-Karawane zu Fuß an die Gaza-Grenze gehen, um medienwirksam auf die Lage in Gaza aufmerksam zu machen.
Doch die ägyptischen Behörden setzten 88 aus Algerien, Frankreich und der Türkei ankommende Aktivisten gleich in den nächsten Flieger in die Heimat, mindestens 100 Menschen befinden sich in Abschiebehaft. Beamte hatten die ankommenden Flugzeuge regelrecht umzingelt und nach möglichen Teilnehmer:innen der Gaza-Solidaritäts-Aktion durchsucht. Wer es dennoch bis in die Innenstadt von Kairo geschafft hatte, wurde spätestens in Ismailia, der Grenze zur Sinai-Halbinsel, gestoppt. Dort bewarfen offenbar aufgehetzte Bewohner die aus diversen Ländern stammenden Aktivisten mit Wasserflaschen und Steinen. Beamte konfiszierten Reisepässe und verhafteten dutzende Teilnehmer:innen.
Auch Paul Murphy, ein irischer Parlamentsabgeordneter, wurde in einem Polizeifahrzeug abtransportiert. Er hatte wie viele andere mit dem Verbot der Weiterreise, ähnlich wie in Libyen, aber nicht mit offener Gewalt gegen Gaza-Sympathisanten gerechnet. „Die ägyptischen Behörden sind offenbar fest entschlossen, den Marsch auf Gaza zu unterbinden“, sagt er. Viele von denen, die in Kairo und im libyschen Sirte festhängen, erklärten, wiederkommen zu wollen. Am Samstagabend findet nun nicht bei Rafah, sondern in Tunis ein großer Soumoud-Solidaritätsprotest statt. Gaza ist derweil völlig von der Außenwelt isoliert. Seit Freitag sind aus unbekannten Grund alle Internetverbindungen unterbrochen.
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