Songs über Berlin: Da, wo immer noch ein Koffer steht

Berlin ist mit seinen Exzessen Thema vieler Lieder. John Watts von der Band Fischer-Z brachte eines davon, einen New-Wave-Klassiker, ins Quasimodo.

Porträt von John Watts mit Hut

Entertainer mit Berlin-Expertise: John Watts von Fischer-Z Foto: Promo

Zahlen lügen nicht. Sie sagen schon was über Bedeutung und was einem eigentlich am Herzen liegt, wenn man jetzt zum Beispiel beim Sortieren von Liedern seine Häufchen macht. Etwa Lieder über die Liebe (sehr viele). Und die über den Hass (viele). Oder Lieder über Städte (letztlich auch oft Liebe und Hass). Laut einem Liedtexte-Portal gibt es 500 Lieder für, gegen und über München, in immerhin schon etwas über 1.200 ist Hamburg Thema. Dann muss man noch etliche Tausender drauf legen, um mit den Liedern nach Berlin zu kommen. Über 6.000, die irgendwie die Stadt würdigen, sollen es sein.

Das aber muss doch was bedeuten. Soooo viel größer als Hamburg ist Berlin ja nun nicht.

In nicht wenigen Liedern geht es um die Verheißung von Exzessen, die diese Stadt bieten soll

So singt man sich entlang an diesem Ich-hab-noch-einen-Koffer-in-Home-an-der-Spree-ich-steh-auf … natürlich: Berlin! Manchmal muss der Name der Stadt noch nicht einmal erwähnt sein, um es weltweit zum Berlin-Hit zu machen. Wie „Heroes“ von David Bowie, dem vielleicht prominentesten Berlinpraktikanten („Die Mauer im Rücken war kalt“).

In nicht wenigen Liedern geht es um die Verheißung von Exzessen, die diese Stadt doch besonders bieten soll. Das gibt es aus einer heimischen und aus einer sozusagen touristischen Perspektive, da seien jetzt fast einigermaßen wahllos aus dem großen Haufen von den Gebrüdern Blattschuss die „Kreuzberger Nächte“ einerseits („Kreuzberger Nächte sind lang/ Erst fang sie ganz langsam an/ Aber dann, aber dann“) und andererseits „Berlin“ von Fischer-Z herausgegriffen.

Im Rahmen seiner “Red Skies Over Paradise“-Celebration Tour kommt John Watts als Fischer-Z solo am 10. Mai nach Bonn, am 20. Mai nach Übach-Palenberg und am 21. Mai nach Hamburg.

Ein Solokonzert am Abend des Tags der Befreiung

Letztere sind wiederum der aktuelle Grund, wieso man diesen Berlin-Liederhaufen überhaupt gemacht hat. Weil die in Form ihres Masterminds John Watts im Berliner Quasimodo spielten. Ein Solokonzert, am Abend des Tags der Befreiung. Vorher konnte man so noch im Fernsehen schauen, wie zum Gedenken die Kränze niedergelegt wurden. Dass da jetzt der Kai Wegner von der CDU die Stadt repräsentiert als Regierender Bürgermeister, daran muss man sich noch erst gewöhnen.

Dass John Watts „Berlin“ in Berlin spielen würde, das durfte man mit einiger Sicherheit erwarten. Schließlich war der Abend als „Red Skies Over Paradise“-Celebration-Tour angekündigt. Das erfolgreichste Album der britischen Band. Ein New-Wave-Klassiker, „Berlin“, war eine Hit-Single daraus. Erschienen ist das Album 1981. In dem Jahr war Hans-Jochen Vogel (SPD) Regierender in Berlin und dann Richard von Weizsäcker (CDU).

Das Quasimodo ist bestens gefüllt, das Alter der meisten im Publikum konnte man sich einfach ausrechnen, wenn man davon ausging, dass sie das „Red Skies“-Album auf den Partys ihrer Jugend gehört hatten. Tatsächlich finden sich da viele Hooklines zum Mitsingen. Immer wieder sind zumindest Fragmente von Refrains im Publikum zu hören. Zwischendrin singt Watts aktuellere Lieder, die genauso freundlich beklatscht werden.

Seltsam ungelenke Version

Es ist ein launiger Abend, für den auch mal ein Mann nur mit Gitarre reicht. Ein zugewandter Entertainer. Nicht maulfaul, nicht geschwätzig. Einer, der seine Lieder teilen will, und dann singt er von diesen „sore red eyes“, den entzündeten Augen und den dunklen Clubs, wo sich die rumtreiben, die schlafen, wenn es draußen hell ist, in „Berlin“, wo man immer auch von der Vergangenheit weiß, dem „theatre of memories“.

Es ist eine seltsam ungelenke Version, in der John Watts versucht, das Leise und den Rock irgendwie ineinander zu verschrauben. Es klappt nicht so recht, was wiederum sehr anrührend ist. Das Publikum ist sowieso dabei. Nicht alle, aber viele singen mit, vor allem das bestätigende „Berlin, Berlin“. Immer wieder, trotzig und beschwörend: „Berlin, Berlin“.

Und wenn man genau hingehört hat, hörte man auch all die anderen, die da irgendwann auf die Bühne gekommen sein müssen (sie mussten sich drängeln, im Quasimodo ist da nicht viel Platz), die Dietrich und Hildegard Knef, Annette Humpe, die Jungs von Seeed und all die anderen. Sie singen: Berlin! Berlin!

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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