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Sonderparteitag der GrünenRede-Duell ohne klare Siegerin

Spannung beim Parteitag der Grünen. Die Vorsitzende Claudia Roth wirbt für den Atomausstieg. Doch Gesine Agena von der Grünen Jugend hält unter lautem Applaus dagegen.

Kämpft für die Zustimmung der Delegierten: Claudia Roth. Bild: dapd

BERLIN taz | Das wichtigste Duell des Grünen Sonderparteitags zum Atomausstieg fand sofort am Anfang statt: Claudia Roth warb vehement für den Kurs der Parteispitze, der Atomgesetznovelle von Schwarz-Gelb zuzustimmen. Nur wenige Sekunden später trat ihre schärfste Kritikerin ans Mikrophon in der Berliner Messehalle: Gesine Agena, Sprecherin der Grünen Jugend, die den Vorstand in den letzten Wochen immer wieder attackiert hatte. Sie will, dass sich die Grünen weiter für einen schnelleren Ausstieg kämpfen.

Als Roth ans Rednerpult tritt, weiß sie: Sie hat 15 Minuten. Eine Viertelstunde, um die rund 700 Delegierten zu packen und auf ein "Ja" einzustimmen. Zunächst betont sie das einzigartige Vorgehen der Grünen: Sie lassen einen Parteitag die Energiewende diskutieren – anders als alle anderen Parteien, bei denen die Spitze den Kurs bestimmt.

Roth tut das, was sie gut kann: Sie bedient Emotionen. Sie erinnert an die Bundesdelegiertenversammlung 1985 in Offenburg. Damals unterbrachen die Grünen die Tagung und reisten an den Bauzaun nach Brokdorf. "Ich erinnere mich an die Angst, die ich vor tief fliegenden Hubschraubern in Brokdorf hatte", rief Roth. "Wie oft sind wir gemeinsam gegen Atomkraft auf die Straße gegangen? Damals waren wurden wir Spinner und Träumer genannt."

Deutliche Worte fand sie in Richtung einzelner Anti-AKW-Aktivisten, die im Vorfeld argumentierten, die Grünen brächen im Fall einer Zustimmung mit der Bewegung. "Ich werde nicht zulassen, wenn sie jetzt einige anmaßen, die Grünen aus der Bewegung zu exkommunizieren." Alle im Saal teilten eine gemeinsame Geschichte im Kampf gegen die Atomkraft. "Dass diese Tatsache einige abstreiten, ist doch absurd. Es widerspricht allem, wofür die Grünen stehen." Lauter Applaus rauscht durch die Halle.

Engagiert verteidigte sie die Linie des Vorstands, der Atomgesetz-Novelle der schwarz-gelben Koalition zuzustimmen. Nach jahrzehntelangem Kampf steige Deutschland aus der Atomkraft aus. "Das ist ein Sieg der Bewegung und ein Sieg der Grünen. Wir haben Schwarz-Gelb zur Wahrheit gezwungen und ihre Lügen von der Versorgungslücke als solche entlarvt." Eine mögliche Zustimmung sei kein Blanko-Scheck, es gebe noch viel zu tun, wofür es starke Grüne brauche. "Frau Merkel, freuen Sie sich nicht zu früh, die Atomfrage ist noch nicht vom Tisch!"

Dass Schwarz-Gelb acht alte Reaktoren sofort stilllege, die Laufzeitverlängerung zurücknehmen müsse und die anderen Kraftwerke schrittweise abschalte, sei auch ein Sieg von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. "Jetzt müssen die Grünen doch zupacken. Und ich sage das, obwohl ich weiß, dass es schneller geht, und ich das kritisiere." Rhetorisch fragte Roth, was passiere, sollten die Grünen das Atomgesetz ablehnen. "Enttäuschen die Grünen dann nicht in Deutschland und der ganzen Welt, die erwarten, dass wir dem zustimmen? Die Menschen erwarten, dass wir – wenn etwas in die richtige Richtung geht – zustimmen, dass wir auch in der Opposition gestalten."

Überzeugte AtomkraftgegnerInnen

Dann kam Gesine Agena, die Sprecherin der Grünen Jugend. Zunächst betonte sie wie Roth, es gebe keinerlei Zweifel, dass man sich inhaltlich einig sei. "Ich bin fest davon überzeugt, dass hier im Raum nur überzeugte Atom-Gegnerinnen und Gegner sitzen." Sie verwies aber ebenfalls auf die Kritik in der Bewegungsszene. "Ich finde es falsch, wenn jetzt einige in der Bewegung Spalterei betreiben. Aber mir gibt es auch zu denken, wenn so wichtige Teile der Bewegung vor der Halle stehen." Draußen demonstrierten etwa Initiativen wie Campact, der Umweltverband BUND, die Initiative Ausgestrahlt und die Bäuerliche Notgemeinschaft aus dem Wendland.

Agena nahm den Vorstand, der auf Zustimmung drängt, scharf ins Visier. "Warum sollten wir einem Konsens zustimmen, der weder mit uns besprochen noch verhandelt wurde?", rief sie unter starkem Applaus vieler Delegierter. Es habe keinen Termin im Kanzleramt mit Fraktionschef Jürgen Trittin gegeben, nachdem irgendein Erfolg erzwungen worden wäre. "Wenn Merkel nicht den Mut hat, mit uns zu verhandeln, dann verdient sie auch die Zustimmung der Grünen nicht." Applaus brandet auf, noch lauter als an den entscheidenden Stellen der Roth-Rede.

Das vorliegende Gesetz sei keine grüne Atomgesetz-Novelle, sagte Agena weiter. Sie beinhalte keinen schnellstmöglichen Ausstieg, sie liege weit hinter dem, was die Grüne für technisch machbar hielten. Ihre Partei hat ein Ausstiegsziel von 2017 definiert. Sie könne auch nicht nachvollziehen, sagte Agena weiter, wie einige behaupten könnten, auf vier oder fünf Jahre mehr komme es nicht an. "Jeder Tag, den diese Dinger weiter laufen, ist ein Tag zu viel."

Der von Schwarz-Gelb vorgeschlagene Ausstieg sei auch nicht unumkehrbar, das habe das Hin- und Her bei der Laufzeitverlängerung gezeigt. "Es kann mir keiner erzählen, er wüsste, was die CDU und die CSU im Jahr 2021 tun." Es drohe die Gefahr, dass dann alles wieder von vorne los gehe. Dem Applaus nach zu urteilen ist der Ausgang des Parteitags offen – das Rededuell Roth und Agena endete unentschieden.

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8 Kommentare

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  • HJ
    Hein Jo

    Die Grüne Jugend bestätigt hier das Klischee, dass junge Leute noch weniger von Verkalkung heimgesucht sind, als viele Leute über 40 oder 45, und daher oft intelligenter sind als die älteren.

  • D
    deviant

    Ich halte es für richtig, dass die Grünen zustimmen: Damit beweisen sie intellektuelle Überlegenheit und Seriösität.

    Sie zeigen damit, während alle scheinbar von Fukushima überrascht sind, dass sie eben genau damit gerechnet haben, und mit ihrem Ausstieg immerhin doch auf dem richtigem Wege waren, den jetzt auch Union und FDP einschlagen.

     

    Dass die Umweltverbände und die Grüne Jugend sich dagegen aussprechen, ist aber ebenso richtig, denn dieser Ausstieg ist großer Mist, wie schon der rotgrüne - da müssen ganz andere Kaliber aufgefahren werden, gerade jetzt, wo die Gesellschaft dazu bereit ist.

    Immerhin haben die, im Gegensatz zu den Grünen, einen Ruf zu verlieren...

  • K
    Ökomarxist

    "Warum sollten wir einem Konsens zustimmen, der weder mit uns besprochen noch verhandelt wurde?", Ich stimme Gesina Agena in dieser Frage und in allen anderen Punkten zu. Schwarz Gelb will mehr Offshore als onshore obwohl Onshore mehr Leistung erzeugt als.Denn ein Institut hat ausgerechnet dass 8% der Landesfläche Deutschlands für erneuerbare Energien geeignet sind ausgenommen Naturparks ,wohnnahe Gebiete etc. 2% reichen schon aus, um 2/3 des Strombedarfs herzustellen. Aber Frau Merkel setzt ja auf Kohle dass mehr CO² in die Luft blasen wird und damit die Luft noch mehr verschmutzt. "Sie verhalten sich zur der Sache um der Sache willen, Aber die Sache selbst ist gegenständliches ,menschliches Verhalten zu sich selbst und zum Menschen und umgekehrt." Zitat von Karl Marx.

  • VA
    verschiebbarer Ausstieg

    da müsste rein das man früher abschaltet wenn es gut läuft.

    So eine Update-Option, aber nur in Richtung Verkürzung.

  • H
    Heredia

    Leider wird mal wieder mit keinem Wort erwähnt, dass ein schnellerer Atomausstieg mit einer gesteigerten Stromproduktion durch Verbrennung fossiler Energieträger (v.a. Kohle) einhergeht. In den nächsten Jahren gehen mehrere Großkraftwerke ans Netz, die mit Kohle gespeist werden. Klimaschutz ade! Müsste nicht in der Ausstiegsdebatte sowohl Klimaschutz als auch Energieeffizienz an vorderster Stelle mit debattiert werden? Zukünftige Generationen würden es uns danken, denn sie werden nicht nur die Leidtragenden atomarer Unfälle, sondern auch extremer Großwetterlagen sein, die zunehmend das Überleben auf unserem schönen Planeten schwieriger machen! The power of future is now!

  • Z
    zombie1969

    Ströbele war auch zugegen. Jo er lebt no jo er lebt no! Hat ihn seine Mc. Donalds-Phobie noch nicht unter die Erde gebracht? Scheint ein resistenter Herr zu sein dieser Herr Ströbele. LoL

  • A
    atypixx

    Liebe taz, dann zeigt doch ein Bild von der Frau Agena und nicht von Claudia Roth; wie die aussieht, wissen wir doch zu Genüge...

  • R
    rheinelbe

    Der grüne Marsch...

     

    Der lange Marsch der Grünen

    durch die Institutionen

    endet nun

    im Allerwertesten

    der CDU.

     

    Das allerdings ist folgerichtig. Handelt es sich doch um die Öko-FDP für den öffentlichen Dienst.