: Soll Rußland intervenieren?
Verhandlungen zwischen Rußland und Georgien um den Abchasien-Konflikt/ Tiflis gegen Friedenstruppe ■ Aus Moskau K.-H. Donath
Der Vorsitzende des georgischen Staatsrates, Eduard Schewardnadse, und Rußlands Präsident Jelzin trafen sich gestern in Moskau, um eine Lösung des Konfliktes in Abchasien zu finden. Der Oberste Sowjet der kleinen Republik im Nordwesten Georgiens hatte im Juli seine Loslösung von Tiflis erklärt. In der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen georgischen Truppen, abchasischen Freischärlern und Freiwilligen aus angrenzenden Kaukasusrepubliken sind bisher mehr als 150 Menschen gestorben.
Am Vorabend der Gespräche in Moskau wies Georgiens stellvertretender Vizepremier den russischen Vorschlag, dort eine eigene Friedenstruppe aufzustellen, entschieden zurück: „Ich halte diese Idee für schlecht. Im Falle Südossetiens bin ich dafür, aber in Abchasien gibt es dafür keine Notwendigkeit.“ Auch Südossetien wollte aus dem georgischen Staatswesen ausscheiden und sich mit dem jenseits des Kaukasus gelegenen Nordossetien vereinigen. Seit mehreren Wochen gelingt es den russischen Truppen dort tatsächlich, den Frieden aufrechtzuerhalten. Im Falle Abchasien liegen die Dinge jedoch anders. Hier stellt nicht die Titularnation der Abchasen die Bevölkerungsmehrheit, sondern die Georgier. Eine Intervention russischer Truppen würde man erneut als einen russischen Eingriff in die inneren Angelegenheiten Georgiens empfinden. Am Dienstag lieferten sich noch verbliebene ehemalige Sowjettruppen und Einheiten der georgischen Nationalgarde ein verlustreiches Gefecht in der Gegend um Gudauta.
An den Moskauer Verhandlungen nimmt auch der Vertreter der abchasischen Separatisten, Wladislaw Ardsinba, teil. Neben der Unabhängigkeit favorisiert er den Anschluß an Rußland. Für Kompromisse ist da wenig Platz. Ardsinba gilt weithin als Extremist — nicht allein wegen seiner nationalistischen Attitüde: Vielmehr gehört er zu einem einflußreichen Kreis altgedienter Kommunisten, die eng mit reaktionären Kräften in Moskau zusammenarbeiten. Die meisten der Parlamentarier, die mit ihm nach Gudauta geflohen sind, entstammen diesem Lager.
So geht es um mehr als nationale Autonomie. Ein Ende des Konfliktes läßt sich nur dann absehen, wenn die abchasische Seite keine Unterstützung aus den kaukasischen Republiken Rußlands erhält. Einsicht zeigen zumindest die Kommandeure der beiden Seiten: Man hält sich an die vereinbarte Feuerpause bis zum Ende der Gespräche.
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