Solidarität mit Iran: Junge und Alte gemeinsam
Zum Tag der Menschenrechte ruft ein Bündnis zur Demo für Iran auf. Polizei ermittelt gegen Regime-Gegner wegen „Tod Chamenei“-Schildern.
Die aktuellen Todesurteile müssten aufgehoben und alle politischen Gefangenen freigelassen werden. „Die EU-Länder sollten verlangen, dass sie als Beobachter bei den Gerichten zugelassen werden und sie sollten die Misshandlung von Gefangenen verurteilen“, so Nowzari weiter.
Die jüngsten Verlautbarungen des Regimes, wonach die so genannte Sittenpolizei aufgelöst worden sei, bezeichnete der Exil-Iraner, der in den 80er Jahren nach Berlin geflohen war, als „Ablenkung“ des Regimes. „De facto wurde die Sittenpolizei durch die Proteste abgeschafft, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass Zwangsverschleierung und Kleidervorschriften tatsächlich abgeschafft werden.“ Für Nowzari liegt die Stärke der aktuellen Proteste darin, dass sich Frauen und die verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen zusammen geschlossen haben um das Regime zu Fall zu bringen.
Auch in Berlin, so Nowzari, machten neue Gruppen von jungen Exil-Iraner*innen wie Feminista Berlin und das Women-Life-Freedom-Kollektiv den „Alten“ Mut und Hoffnung. „Wie im Iran sind solche Bewegungen auch hier eine Bereicherung. Sie sind der Motor der Revolution.“ Die jungen Leute seien kreativ, schnell und erfahren im Umgang mit neueren Kommunikationstechniken wie social media. „Wir bewundern sie, sie ziehen uns mit“, sagte er. Auch thematisch würden sie neue Akzente setzen mit ihrem Fokus auf Diskriminierungen von Frauen, LGBTIQ* und ethnischen Minderheiten. „Wir ‚Älteren‘ suchen die Lücken und kümmern uns weiterhin um die politischen Gefangenen.“
Todesurteile im Geheimen
Auch das geschieht nun gemeinsam: Feminista Berlin und Women Life Freedom rufen ebenfalls zur Demo am Samstag auf. „Wir wollen am Tag der Menschenrechte vor allem über die politischen Gefangenen und die Todesurteile sprechen“, so Sanas Azimipour von Women Life Freedom zur taz. Sie verwies auf die fünf Teilnehmer einer Demonstration, die gerade nach kurzem Prozess zum Tode verurteilt worden sind. Sie sollen Anfang November in der Stadt Karadsch an der Tötung eines Mitglieds der paramilitärischen Basidsch-Milizen beteiligt gewesen sein. Die Fakten sind wegen der nicht-öffentlichen Gerichtsprozesse nicht verifizierbar. „Wir wissen nicht einmal die Namen aller Verurteilen“, so Azimipour.
Wie Nowzari fordert sie, dass westliche Beobachter bei Prozessen zugelassen werden. Der Westen müsse dafür mehr Druck auf Iran machen.
Unterdessen hat die Berliner Polizei zugegeben, dass sie Ermittlungsverfahren gegen Regimegegner eröffnet, wenn diese Schilder wie „Tod Chamenei“ oder Ähnliches bei Demonstrationen tragen. Ermittelt werde dann wegen des Verdachts der Beleidigung, üblen Nachrede und der Verleumdung, bestätigte die Pressestelle auf taz-Anfrage.
Ein Ermittlungsverfahren sei inzwischen an die Staatsanwaltschaft Berlin abgegeben worden. Gegen wie viele Menschen wegen solcher „Delikte“ ermittelt werde, werde statistisch nicht erfasst. Zuerst hatte der Tagesspiegel am Montag berichtet.
Chamenei kein Mörder?
Bereits Ende November hatte die Aktivistin Daniela Sepehri auf Twitter geschrieben, ein Aktivist habe wegen „Chamenei ist ein Mörder“ eine Anzeige von Amts wegen bekommen. Die Polizei erklärte nun, bei Kundgebungen und Demonstrationen würden Transparente, Plakate und Sprechchöre „stets auf eine etwaige strafrechtliche Relevanz geprüft. Sofern eindeutig oder mutmaßlich strafrechtliche Inhalte festgestellt werden, ist die Polizei schon wegen des Legalitätsprinzips verpflichtet, dies zur Anzeige zu bringen.“
Die Frage der taz, ob der Polizei bekannt sei, dass Chamenei bereits 2007 vom Berliner Landgericht als mitverantwortlich für die sogenannten Mykonos-Morde bezeichnet wurde, man ihn also mit Fug und Recht als Mörder bezeichnen können müsste, beantwortete der Polizeisprecher nicht.
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