Sol y Sombra: Es werde Licht
■ DLV-Präsident Digel und Innenminister Schily üben sich in sachter Zuversicht
Würde Helmut Digel, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), das Vokabular des Tour-de-France-Direktors Jean-Marie Leblanc bevorzugen, spräche er wohl von einer „Weltmeisterschaft der Erneuerung“. Bei ihm hört sich die Sache jedoch sogar noch poetischer an. „So viel Licht war noch nie“, beschrieb er die gestern zu Ende gegangene Leichtathletik-WM in Sevilla.
Digel verwahrte sich gegen die Stimmen, die angesichts der zahlreichen Dopingfälle im Vorfeld behauptet hatten, es läge ein Schatten über der Veranstaltung. „Einen Schatten gibt es, wenn Athleten an den Start gehen, die eigentlich nicht starten dürfen.“ Ansonsten konstatierte er aber eine Stimmung und eine Organisation, die erheblich besser waren als vor zwei Jahren in Athen, wenn auch längst nicht so ideal wie bei der WM 1993 in Stuttgart, und freute sich über die „Begegnung“ mit der andalusischen Kultur, die allen Beteiligten in Sevilla zuteil wurde.
In der Tat kann der DLV zufrieden sein mit dieser WM. Es gab reichlich Medaillen, nur wenige Enttäuschungen und die Wiederwahl Digels in das Council des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) – was will man mehr. Auch der für den Sport zuständige Innenminister Otto Schily ließ gestern in Sevilla erkennen, dass er die rund zehn Millionen Mark Bundesmittel für die Leichtathletik als geglückte Investition betrachtet, und fügte hinzu: „Es ist von ganz großer Bedeutung für uns, dass ein Mann von diesem Fachwissen und Engagement in der Spitze eines solchen Verbandes ist.“
Womit man wieder beim Doping war. Denn gar so viel Licht lag nun auch wieder nicht auf dieser Weltmeisterschaft. Die Zeit der Unschuld, als jeder Superlativ hemmungslos gefeiert wurde, ist lange schon vorbei. Heute gibt es vielerorts gerunzelte Stirnen angesichts eines Weltrekordes wie dem von Michael Johnson über 400 Meter, persönlicher Bestleistungen, die auf gigantische Weise gesteigert werden, oder griechischer Sprinterinnen mit Grabesstimme.
Die weltweiten Kontrollsysteme sind löcherig, vor allem was unangemeldete Trainingstests betrifft, die Standards sind unterschiedlich. Die IAAF-Dopingkommission habe einen schweren Stand, sagt Digel, denn sie vertrete eine harte Linie, wie sie in der Welt nur selten anzutreffen sei, beispielsweise „nicht in den USA und leider auch nicht in Großbritannien.“ Wäre die seit fast einem Jahr vom DLV suspendierte Uta Pippig zum Beispiel US-Amerikanerin, hätte sie in Sevilla an den Start gehen können, und niemand wüsste, dass sie vor eineinhalb Jahren positiv getestet wurde. Rund zehn solcher verschleppten Fälle sind derzeit anhängig.
Die Hoffnungen für die Zukunft ruhen auf der vom IOC beschlossenen Antidopingagentur, über deren Installationen es noch Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Sportministern und dem IOC gibt, vor allem bezüglich des Standorts und, natürlich, des Geldes. „Es spielt ein Rolle, wie weit die EU bereit ist, sich an der Finanzierung zu beteiligen“, sagt Schily.
Der Minister ist trotzdem zuversichtlich, dass die Agentur „ab dem 1. Januar 2000 arbeiten kann“. Vor allzu optimistischen Hoffnungen warnt jedoch Helmut Digel: „In Sydney wird die Agentur nicht funktionieren. Dazu müssten wir weltweit 30.000 unangemeldete Kontrollen haben.“ Bis die Agentur tatsächlich wirksam eingreifen kann, „das wird Jahre dauern“.
Matti
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