Sohn von Hamas-Gründer enthüllt: "Ich war Agent des Schin Beth"
Hassan Jussefs Sprößling schreibt über seine Kooperation mit Israels Geheimdienst. Das bedeutet praktisch das Aus für die Politkarriere des im Gefängnis sitzenden, populären Vaters.
![](https://taz.de/picture/319548/14/jussef.jpg)
JERUSALEM taz | Kaum sind die düsteren Wolken, die sein erstes Zeitungsinterview über dem Kopf seines Vaters Hassan Jussef aufziehen ließen, gelichtet, bereitet Jussef junior seinem Erzeuger neue Probleme. "Ich war Agent des Schin-Beth", gesteht der 31-Jährige in seinem dieser Tage auf dem amerikanischen Buchmarkt erscheinenden Erstlingswerk "Son of Hamas".
Nicht aus Geltungsbedürfnis oder persönlicher Bereicherung habe er dem israelischen Sicherheitsapparat geholfen, eine ganze Serie von Terroranschlägen zu vereiteln, sondern aus Liebe zu den Menschen, meint der zum Christentum konvertierte Baptist. Der als Mussab Jussef geborene Sohn des Hamas-Mitbegründers nennt sich heute Josef.
"Alles Lüge", kommentierte Hassan Jussef in einer vom Gefängnis aus veröffentlichten Erklärung die Berichte, für die es keine Beweise gäbe. "Mussab war niemals Mitglied der Hamas." Der "grüne Prinz", so der Codename seines Sohnes beim inländischen Nachrichtendienst, will eigenen Aussagen zufolge zehn Jahre lang als Agent die höchsten Hamaskreise im Westjordanland ausspioniert haben. Mit seiner Hilfe soll Ende 2001 ein Mordanschlag auf den damaligen Außenminister Schimon Peres, dem heutigen Staatspräsidenten, vereitelt worden sein.
"Captain Louis", Mussabs damaliger Auftraggeber beim Nachrichtendienst, erklärte gegenüber Haaretz anerkennend: "So viele Menschen verdanken ihm ihr Leben und haben nicht mal eine Ahnung davon." Die Wochenendbeilage der Zeitung machte mit einem Foto auf, das ihn mit Sonnenbrille und Kapuze zeigt. "Held Israels" steht darunter.
Schon vor zwei Jahren hatte Mussab für Aufsehen gesorgt, als er mit offener Abscheu einem Haaretz-Reporter von gruseligen Machenschaften der Hamas-Führung erzählte. Kaum 18-jährig war er verhaftet worden, weil er Steine geworfen hatte und im Besitz einer Waffe war.
Im Gefängnis lernte er dann eine andere, "die wahre Hamas", wie er sagt, kennen, die mit den Lehren seines Vaters wenig zu tun hatte. Die Hamas-Funktionäre genossen privilegierte Haftbedingungen und folterten grausam jeden der eigenen Leute, der in den leisesten Verdacht der Kollaboration geraten war. "Sie steckten ihnen brennende Streichhölzer zwischen die Fußzehen und Besenstiele in den After, und um sie zu demütigen, wurden ihnen die Haare vom Kopf geschoren." Dass Mussab selbst niemals von Hamas-Leuten gefoltert wurde, schreibt er seiner Vorzugsstellung als Sohn eines Hamas-Gründers zu und der Tatsache, dass "Jesus mich liebt".
Obschon Mussab nie selbst zur Hamas gehörte, unterhielt er engste Kontakte zur Führung, darunter Chaled Meschal, Chef des Politbüros in Damaskus, mit dem er angeblich regelmäßig jede Woche kommunizierte, um anschließend dem Schin-Beth Meldung zu machen.
Mussab half bei der Fahndung nach Abdallah Barghuti, der hinter zwei verheerenden Anschlägen stand und später zu 65-mal lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt wurde. Und er lieferte sogar seinen eigenen Vater der israelischen Armee aus, angeblich, um ihn vor einer gezielten Tötung zu retten. Im August 2005, einen Monat, bevor er selbst zusammen mit seinem Vater, der kaum ein Jahr zuvor entlassen worden war, verhaftet wurde, trat er heimlich zum Christentum über. Knapp zwei Jahre später verließ er das Westjordanland und lebt seither in Kalifornien.
Für Vater Hassan Jussef dürfte die Veröffentlichung des Buches das Ende seiner Karriere bedeuten. Der Anfang-50-Jährige genießt im Westjordanland bei seinen Anhängern ähnlich große Popularität wie Marwan Barghuti bei der Fatah. Innerhalb der Hamas vertrat Jussef eine auf Kompromisse ausgerichtete Linie. In einem Interview mit der taz kurz vor seiner Verhaftung im Herbst 2005 zeigte er sich zur Kooperation mit der Fatah bereit und plädierte für einen unbegrenzten Waffenstillstand mit Israel. "Die Welt um uns hat sich verändert, vor allem nach dem Tod von Jassir Arafat", meinte er damals. "Wir sind realistisch und müssen entsprechend handeln." Damit meinte er auch einen Staat Palästina in den Grenzen von 1967.
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