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Software unterstützt DemonstrantenHandy schützt vor Polizei

Britische Programmierer haben eine Software entwickelt, die davor schützen soll, auf Demos eingekesselt zu werden. Die Infos kann man sich aufs Handy schicken lassen.

Die Polizei kesselt Demonstranten in Düsseldorf ein. Bild: dpa

BERLIN taz | Gewaltloser Protest heißt nicht, dass auch die Polizei friedlich bleibt. Gerade das Kesseln ist eine bei der Staatsmacht beliebte - und von Demonstranten gefürchtete - Taktik. Die Polizei versperrt alle Straßen und beginnt dann, die Protestierenden an einem Ort zusammenzutreiben. Englische Programmierer begegnen dieser Taktik nun mit Technik. Ihre Software "Sukey" soll Demonstranten davor schützen, eingekesselt zu werden.

Über soziale Netzwerke, SMS oder Twitter lassen die Macher von Sukey sich von Demo-Teilnehmern über Bewegungen der Polizei informieren. Daraus erstellen sie eine ständig aktualisierte Karte, die man sich über das Handy anschauen kann. So soll es möglich sein, der Polizei zu entkommen.

"Es ist ein Projekt, das protestierenden Menschen helfen soll, sicher, informiert und beweglich zu bleiben", so Sam Gaus, Mitgründer von Sukey.org. Auf dem Handy erscheint eine Karte, auf der sichere Plätze grün markiert werden. Braut sich etwas zusammen, färbt sich die betreffende Stelle auf der Karte gelb. Wenn die Straße ganz blockiert ist, wird deren Markierung rot. Die Karte lässt sich auch in einen Kompass wandeln, der mit einem grünen Pfeil auf den sichersten Weg weist.

Der Name des Programms "Sukey" stammt aus einem alten englischen Wiegenlied. Zwei Geschwister spielen. Die eine, Polly, setzt den Kessel auf den Ofen. Ihre Schwester Susan, auch Sukey genannt, nimmt den Kessel wieder runter.

Das Sukey-Team war schneller

Getestet wurde das Programm erstmals am 29. Januar in London. Eine große Gruppe demonstrierte vor der ägyptischen Botschaft. Die Polizei versuchte zu kesseln. Sie begann, alle Zufahrten zu besetzen, ließ keine Menschen mehr heraus. Bald wäre sie vorgerückt. Doch diesmal war das Sukey-Team schneller.

Einige Demonstranten bemerkten die Pläne der Polizei und schickten die Informationen an die Mitarbeiter in der Zentrale. Diese sammelte die Informationen, markierte die bereits verschlossenen Wege und aktualisierte so ihren Kartendienst. Alle Abonnenten von Sukey konnten sehen, welche Ausgänge noch frei waren. Über Mundpropaganda wurde auch der Rest der Demo-Teilnehmer informiert und die Protestierenden flohen durch die noch offenen Wege. Der Kessel konnte nicht "aufgesetzt" werden. Das Programm hat funktioniert. Dabei steckte das Projekt noch in den Kinderschuhen.

"Das war ein erster großer Erfolg", so Entwickler Gaus, auch wenn er nicht sicher sein könne, dass allein ihre Software das Kesseln verhindert hätte. Damals wäre der Lageplan noch sehr langsam aktualisiert worden, heute würde das schneller gehen. Auch einen Kompass hätte es damals nicht gegeben. Gaus hofft, dass Souky in Zukunft alleine von den Demonstranten organisiert werden könne.

"Es ist wichtig, dass das Programm eines Tages ohne Zentrale funktioniert", sagte Gaus. Dies sei besonders entscheidend in Ländern, die keinen so sicheren Rechtsstaat, wie das Vereinigte Königreich hätten. Sonst wären die Menschen, die dort die Karte erstellten, einer zu großen Gefahr ausgesetzt. Ganz ohne Grund sind diese Befürchtungen nicht. Denn selbst in der USA wurden schon Menschen aus ähnlichem Grund verhaftet.

Beim G20-Protest 2009 in US-amerikanischen Pittsburgh wurden zwei Aktivisten unter dem Vorwurf verhaftet, sie würden eine Demo via Twitter lenken. Durch Kurznachrichten über Einsatzorte und Bewegungen von Polizeieinheiten sollen sie nach Darstellung der Behörden das Verhalten der Protestierenden gesteuert haben. Darum hätte die Polizei die Demonstration nicht wie geplant auflösen können. Noch während der Demo stürmte die Polizei das Hotelzimmer, in dem die beiden Aktivisten arbeiteten. Sie wurden gefangen genommen und ihnen drohte eine Anklage. Zwar wurden die beiden später wieder frei gelassen und gewannen auch den folgenden Prozess. Trotzdem bleibt, dass Menschen verhaftet wurden, weil sie eine Demo übers Interent gelenkt haben sollen. Auch bei Sukey bringt sich ins Visier der Fahnder, wer sich beteiligt.

Die Polizei kann die Mobilfunknetze abschalten

"Es fallen immer Daten an, mit denen die Anonymität aufgehoben werden kann", sagt Andreas Bogk, Sprecher des Chaos Compouter Club (CCC). Zwar schrieben die Autoren der Software, die Daten würden verschlüsselt, doch sei es bei Sukey generell nicht anderes als twitterte man bei einer Demonstration.

Auch kann die Polizei natürlich auf der App mitlesen oder Fehlinformationen streuen. Das Programm zu blockieren ist für sie auch nicht sonderlich schwer. Etwa durch "Abschaltung der Mobiltelefonnetze", so Bogk. Wer das nun für eine Methode hält, die in Deutschland nicht legal wäre, der irrt sich.

Rheinland-Pfalz etwa erlaubt es der Landespolizei seit letztem Sommer Mobilfunknetze abzuschalten. "Die Polizei wird zur Unterbrechung oder Verhinderung der Telekommunikation ermächtigt, um dadurch in besonderen Gefahrenlagen besonders wichtige Rechtsgüter wie Leib und Leben oder Freiheit einer Person effektiv schützen zu können", heißt es in einer Gesetzesnovelle vom 19.08.2010. Begründet sei dies durch neue Gefahren, "wegen der zunehmenden Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechniken".

Würde die Polizei es für nötig erachten, dürfte sie in Mainz die Handynetze abschalten. Dann könnte auch Sukey keinen Ausweg mehr zeigen.

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16 Kommentare

 / 
  • TC
    Tobias Claren

    Dann sollen Islamisten halt dieses Programm nutzen.

    Ich habe aber noch keine Islamistendemo (mit Ausschreitungen) mitbekommen.

     

    Und wenn Nazis es nutzen um nach 130-Verstößen zu flüchten, finde ich das so in Ordnung wie auch Henrik M. Broder es gut fände.

     

     

     

    @Sauerbraten80

     

    So eine App müsste eine Mesh-Wolke aufbauen. So dass alle Geräte miteinander verbunden sind.

     

    Denkbar wären auch Teilnehmer die nicht nur ein einfaches Smartphone, sondern einen richtigen AP mit externer Antenne und extra Akku haben.

    Vergleichbar mit dem Funker der im zweiten Weltkrieg mit einem Funkgerät auf dem Rpcken rumläuft.

     

     

    Mobilfunk bliebe ein zusätzlicher Kanal.

    Denkbar wäre auch die Datenübertragung per PMR- oder CB-Funk. Die Datenmenge dürfte sehr gering sein. Eine Software (auf PC oder Smarthone) wandelt die Daten wie ein Modem in analoge Daten um. Das "Gekreische" wie bei einem Analogmodem.

    Wegen der geringen Datenrate würden auch wenige robustere Töne reichen.

    Die Demonstranten schließen das Funkgerät einfach an das Smartphone an.

    Kopfhörerausgang an Mikrofoneingang.

    Und die App wandelt die analogen Töne wieder in Daten um.

    Das wären schon drei redundante Kanäle (bei PMR sollten die Demonstranten aber nur empfangen).

    Zwei PMR-Funken gibt es gebraucht ab €5.

     

    Natürlich wäre PMR/CB auch für "Demonstrantenfunk" (Analog zu Polizeifunk) zu nutzen.

    Headsetanschlüsse sind normal. Z.B. für Headsets mit dem kleinen Ohrknopf am Spiralschlauch und frei wählbarem Mikroplatz (z.B. im Ärmel :] ).

     

    "Die Polizei" kann sich zwar nach einiger Zeit "ein" Gerät zulegen, aber alle Polizisten werden sie damit nicht ausstatten.

    Sie werden es also höchstens einmal abhören und evtl. etwas über Polizeifunk weitergeben.

    Dies könnten natürlich auch Demonstranten.

    So wie der der Polizeifunkinformationen wärend eines Amoks twitterte.

     

    Hier ist der Bürger bzw. Demonstrant im technischen Vorteil gtegenüber dem Staat.

    Der Bürger legt sich Technik einfach (auch Gebraucht) zu. Gruppen programmieren einfach Apps kostenlos usw..

    Die Polizei braucht dafür einen Beschluss, dann braucht es Ausschreibungen auf teure Neutechnik, eine Ausschreibung für eine teure App. Rumgemurkse von den Softwareentwicklern (wie bei Polas und Co, den Polizeicomputersystemen) usw..

     

     

     

    Was die Falschinformationen durch die Polizei angeht, könnte das durch ausgewählte Informanten verhindert werden.

  • MN
    mein Name ist Legion

    Mobilfunknetze abschalten, wenn die Handys dicht an dicht liegen, funktioniert auch nur in den Ländern (wie hier), in denen die sog. Provider sich als Verhinderer der direkten Handy-Verbindung aufspielen dürfen.

  • C
    coolray

    @ Stefan..so was dummes kann man nur schreiben wenn man noch nie eingekesselt worden ist..man sollte sie auch mal als unbeteiligten bürger einkesseln..weil sie es wagen in der nähe einer demonstration zu sein..und wenn sie glück haben kommen sie in den genuss von pfefferspray..weil sich die polizei von ihnen bedroht fühlt...oder sie sind einfadch nur generel gegen das recht zu demonstrieren..und das sie autonome mit nazis zusammen nennen zeigt wessen geistes kind sie sind

  • M
    Mario

    Tolle Idee. Und natürlich ist das auch ohne Mobilfunknetz denkbar; diese Handys haben fast alle WLan und können größtenteils auch alle als WLan-Router fungieren; mithin ist durchaus eine Möglichkeit denkbar auch bei abgeschaltetem Mobilfunknetz sich untereinander zu vernetzen.

  • M
    Michael

    Dem System ein Schnippchen schlagen.... statt es zu verändern!

     

    DAS ist für mich verschwendete Energie!

     

    Ich verstehe nicht, das zumindest in den Kommentaren das Recht einzelner Polizeiführer Handy-Netze abschalten zu können nicht in Frage gestellt wird! Wir reden hier immerhin über privatwirtschaftliche Verträge mit den Nutzern, von Masten die auf Privatgrund stehen, von Netzen die von der Privatwirtschaft betrieben werden....

     

    Beim Wassertisch hat das Argument lange funktioniert... zugegeben, von der anderen Seite!

  • V
    vantast

    Im 3. Reich hörte ein Bewohner während der Nacht ein Geräusch drunten in der Wohnung. Er geht 'runter und entdeckt einen Einbrecher: "Gott sei Dank!" ruft er, "ich dachte schon, es wäre die Polizei!"

  • I
    IroNieman

    Ja, erstmal gegen die Polizei..den Rest machen wa schon.

  • GV
    Gotthilf von Backenknack

    Mich interessiert vor allem der juristische Aspekt, wenn die Polizei ein Mobilfunk-Netz abschaltet und jemand, dem ein Notruf übers Netz das Leben hätte retten können, genau deshalb sein Leben verliert. Schließlich ist NOTRUF nicht immer gleichbedeutend mit "Polizei". Als Herzpatient bin ich beispielsweise auf die Nutzung eines Mobil-Telefones angewiesen, um selbst kompetente Hilfe anfordern zu können. Schon habe ich es bei anderen Patienten erlebt, die hilflos am Straßenrand lagen, von Passanten leichtfertig zu Betrunkenen erklärt wurden und Hilfe verweigert wurde. Ich habe aber auch schon erlebt, dass Mitarbeiter des Zentralrufes der Polizei auf einen Anruf mit der Mitteilung, es läge jemand mitten auf der Straße, diesen Jemand blindlings zu einem Betrunkenen machten, obwohl davon nicht die Rede gewesen war. Nun ja, um Polizist zu werden reicht ein IQ um die 55 offensichtlich aus.

  • H
    hopfen

    "Rechtsgüter wie Leib und Leben oder Freiheit einer Person effektiv schützen zu könne"

     

    Genau, wir schalten die Netze ab um den Leute durch einkesseln die Freiheit zu erhalten...wie kommt man nur auf so eine Formulierung, wenn man doch genau das Gegenteil mit dem Gesetz erreichen will?

     

    @Tobias: Leider ist es eine übliche Taktik der Polizei Demonstranten einzukesseln. Wahrscheinlich auch um generell vor einer Demonstration abzuschrecken. Ich hab schon gesehen wie Leute eingekesselt wurden die nach Hause gehen wollten.

  • MK
    marl karx

    die polizei wird sich genauso an diesem system beteiligen und ebenso reagieren. das katz und maus spiel wird damit eine stufe raffinierter, ob das für die mäuse dann noch von vorteil sein wird, scheint mir fraglich.

  • J
    Jaycame

    @ Tobias

     

    Über dich kann man auch nur lachen..

  • T
    Tobias

    "Gewaltloser Protest heißt nicht, dass auch die Polizei friedlich bleibt. Gerade das Kesseln ist eine bei der Staatsmacht beliebte - und von Demonstranten gefürchtete - Taktik."

     

    Was für ein Blödsinn!

     

    Müssen Sie wenigstens selber lachen wenn Sie so einen Mist schreiben?

  • T
    Tristan

    Daher mehr Freifunk, mehr neutrale Netzte!

    Dann können die sich ihr abschalten in die Haare schmieren!

  • S
    Sauerbraten80

    Mobilfunk-Türme lassen sich zentral abschalten, aber WLAN-Hotspots eben nicht (und die meisten Smartphones haben mittlerweile WLAN). Da müsste die Polizei also schon mit Störsendern anrücken.

  • D
    Drome

    Sukey ist Grossbritannien nicht ohne Kontroverse. Die Gruppe die Sukey programmiert hat, gibt als Beweggrund an Aktivisten mehr Sicherheit auf Demos verschaffen zu wollen, und hat sich dazu auch mit Beamten der Metropolitan Police getroffen. Diese Treffen waren zunaechst nicht oeffentlich gemacht worden, aber das Gespraechsprotokoll wurde auf london.indymedia.org.uk hochgeladen. Seitdem hat Sukey viel Glaubwuerdigkeit verloren (obwohl das Treffen mit der Polizei wohl gut gemint war). Es hat auch nicht geholfen dass das Sukey Team bei den Demos am 26. Maerz die twitter Nachrichten der Polizei - einer Polizei notorisch fuer ein strategisches Verhaeltnis zur Wahrheit - unkritisch weitersand.

  • S
    Stefan

    Diese Begeisterung, mit Techik der Polizei eins auswischen zu können. Das Programm könnte auch von Nazis, Autonomen oder Islamisten genutzt werden. Hauptsache GEGEN die Polizei???