So viel Kritik muss sein: Benno Schirrmeister über Great Again in der Schwankhalle: Wilde Schmerzen
Great Again – Wild West Show von Katrin Bretschneider & Manuela Weichenrieder, Sa., 15. und So., 16. 12., 20 Uhr, Schwankhalle
Nichts täte derzeit mehr Not, als eine Wild West Show, das ist klar. Und so sitzen Manuela Weichenrieder und Katrin Bretschneider auf einem gesattelten Tapeziertritt und einer geschirrten Box auf der großen Schwankhallen-Bühne, haben rote Stetsons auf, und während ein Potpourri die Melodien von „Die glorreichen Sieben“ bis „Western von gestern“ und „Bonanza“ mit sehr viel Ennio Morricone abbindet, zeichnen sich ihre Silhouetten ab auf der Projektion der Landschaft der Landschaften: Rocky Mountains, Steppe. Sonnenuntergang. Great. Endlich wieder: Bretschneider und Weichenrieder reenacten auf ihre Weise Buffalo Bill’s Wildwest-Show, die Ende des 19. Jahrhunderts auf Europatournee war.
Auch in Bremen machte das Spektakel mit seinen zahllosen Büffeln, Pferden und rund 200 Darstellern, die weibliche Form ist ausdrücklich nicht mitgemeint, damals Station, mehr als 10.000 Zuschauer*innen sollen pro Aufführung gekommen sein. Wie der ganze Kontinent, wurde so auch die Stadt mit der Sehnsucht nach den schier endlosen Weiten der Prärie beimpft, in denen Männer von mitleidloser Härte zu Idealen verklärt wurden.
Dass so etwas nicht okay ist, gehört längst zur Minimalbildung, das zu denunzieren wäre nur peinlich. Aber gerade weil eine derart bombastische Massenveranstaltung zu zweit, und noch dazu als zwei Frauen, wiederzubeleben, offensiv lächerlich ist, gelingt es Bretschneider und Weichenrieder, die Albernheit lustvoll zu transzendieren: Dazu gehört, sie auf die Spitze zu treiben. „Wir können nicht scheitern“, verkünden sie, schwören es sogar feierlich und erklären sich zum Staub auf dem Mantel des Publikums und zum Whisky in seiner Kehle zugleich.
Mit banalsten Mitteln, wie Plüsch-Bisons, einer Schleich-Pferdchen-Herde und Popcorn auf dem Boden oder einem clownesken Rodeo auf einem per Spiralfeder am Boden montierten Ölfass-Büffel, gelingt ihnen eine entspannt-abstrakte Erinnerung ans Urbild. Und eine geschickt niedrigschwellige Einbindung des Publikums – letztlich wird nur, wie im Fernsehstudio, der Applaus per Monitor gesteuert – vermag die Schwelle vom harmlosen Cowboyspiel zum Grauen einzuebnen: Eben war’s noch Spaß.
Plötzlich grölen und jubeln wir, weil die Rothäute niedergemetzelt werden und nehmen, natürlich ironisch distanziert – aber was hilft’s? – Teil an der summarischen Überhöhung der zahllosen Blutbäder an Native Americans von Gnadenhütten bis Wounded Knee, die im Staub der Arena als große Siege der weißen Rasse erscheinen. Machen wir das wirklich nur, weil es ja doch ein Fake ist? Das muss ja doch auch den Zuschauer*innen von einst bewusst gewesen sein, als sie „da capo“ riefen und Zugabe und immer und immer wieder mitzuerleben verlangten, wie die Sioux von der Kavallerie, einer nach dem anderen, gekillt wurden. Massakriert sie! Tötet Sitting Bull!!
Die stampfende Herde wilder Tiere ist los. Die erloschen geglaubte Lust an der Gewalt bricht wieder aus, doch das ist beklemmend und das wäre ein schöner Schluss, dem Bretschneider und Weichenrieder leider ein allzu weihnachtlich-versöhnliches Ende angeklebt haben. Aber sonst: Great.
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