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■ KolumneSo ist das eben

Es gibt ein paar ungeschriebene Spielregeln im menschlichen Zusammenleben, die nimmt man gar nicht mehr wahr. So ist das eben, möchte man sagen. Wenn ein vorlauter Hosenmatz einen großen kräftigen Rabauken dumm anredet, dann fängt er einen Satz heiße Ohren. So passiert's jeden Tag tausendfach auf Schulhöfen, in Kneipen und auf dem Fernsehschirm. Das Mitleid hält sich in Grenzen, denn das hätte der kleine Wicht sich ja auch vorher ausrechnen können. So ist das eben.

Ist es nicht. Jedenfalls nicht im bundesdeutschen Plattenbusiness. Ich war nie ein Fan des Rappers Moses Pelham, seine Platten sind mir einigermaßen egal, seine Opfer- und Racheposen finde ich kindergartenmäßig. Dennoch fand ich seine mittlerweile anderthalb Jahre zurückliegende Attacke auf Raab – und dann auch noch im Rahmen der „Echo“-Verleihung – irgendwie okay. Der hatte sein Maul ja nun lange genug sehr weit aufgerissen. Hatte wohl gedacht, weil er das nur im TV macht, kann ihm nichts passieren. Kann aber doch. So ist das eben. Da der arme kleine Stefan von Moses P. aber nun so schwer getroffen wurde und sogar das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wurde, finde ich es auch okay, daß der böse Schlagetot eine gewisse Strafe zahlen muß. Die tut ihm nicht weh, irgendeine wohltätige Organisation freut sich und PR haben beide in Hülle und Fülle.

Doch davon können einige Leute anscheinend nie genug bekommen. Denn als Moses P. die Öffentlichkeit aufforderte, Raab weiter zu prügeln, er zahle die Gerichtskosten, gelang es einer PR-Agentur, eine seltsame Allianz an den Start zu bringen, die Pelham öffentlich gebrandmarkt wissen wollte: seinem „gefährlichen Treiben“ sei „Einhalt zu gebieten“, seine öffentlichen Auftritte nutze er, um „gefährliche Botschaften zu verbreiten“. Sehr lustig soweit.

Und die Tatsache, daß ausgerechnet der Spaßzwerg Wigald Boning zu den ersten Unterzeichnern dieses Aufrufs gehörten, ließ mich zunächst an einen fröhlichen Medienscherz glauben. Doch ein Blick auf die anderen Unterzeichner ließ mich die gräßliche Wahrheit ahnen. Ulla Kock am Brink! Wolfgang Niedecken! Nena! Die Prinzen! Das kann alles nur ernstgemeint sein, diese Leute haben noch nie etwas im Leben nicht ernstgemeint!

Detlef Diederichsen

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