: So ist das eben mit dem medizinischen Fortschritt
■ Viel Einigkeit und nur wenig Kritik bei der Anhörung des behördlichen Krankenhausplanes. Hilfe für Mariahilf und den Landesbetrieb Krankenhäuser
Im Großen und Ganzen herrschte eitel Einigkeit bei der Anhörung zum Krankenhausplan 2005 gestern im Rathaus. Gegen den Abbau von gut 2600 Krankenhausbetten hatten weder Krankenkassen noch Ärzte und Gewerkschaften etwas einzuwenden. So ist das eben mit dem medizinischen Fortschritt und den knapper werdenden Kassen.
Innungskrankenkassen und AOK ging der Abbau sogar noch nicht weit genug, sie hätten gern noch mehr Konzentration auf weniger Standorte. Fokko ter Haseborg, Vorsitzender der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, wies auf die Vorläufigkeit des Planes der Gesundheitsbehörde hin: „Es ist derzeit nicht abzuschätzen, welche Entwicklung die Hamburger Krankenhauslandschaft aufgrund der geplanten Einführung des neuen leistungsbezogenen Entgeltsys-tems nimmt.“
Aber auch in anderen Einzelfragen musste Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) sich Kritik anhören. Einer der Hauptpunkte ist die geplante Dezentralisierung der Psychiatrie. Im Klinikum Nord/Ochsenzoll sollen etwa 160 Betten ab-, im Albertinen Krankenhaus und in Rissen sollen entsprechende Kapazitäten aufgebaut werden.
Der Marburger Bund sieht darin eine Gefährdung der wirtschaftlichen Betriebsgröße und der Spezialabteilungen des Klinikums Nord. Vorstandsmitglied Angelika Koßmann schlägt stattdessen Kriseninterventionszentren in Altona und St. Georg vor. Darin ist sie sich einig mit dem Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK), der den Roth-Plan wegen der angedrohten Bettenreduzierung ablehnt. Auch ÖTV und Deutscher Beamtenbund bitten um Schonung des LBK. Die öffentlichen Träger stellen derzeit 61 Prozent der Betten, aber allein der LBK soll 84 Prozent der bis 2002 und 71 Prozent der bis 2003 abzubauenden Betten abschaffen, rechnet Elke Nobel von der ÖTV vor und schlussfolgert: „Der Staat zieht sich mehr und mehr aus der Gesundheitsversorgung zurück.“ ÖTV und Marburger Bund sorgen sich zudem um die Mitarbeiter in den Kliniken: Immer mehr Patienten, die immer kürzer in der Klinik bleiben, bedeuten „eine Intensivierung der Arbeit, die schon heute zu teilweise untragbaren Bedingungen führt“, sagt Koßmann.
Ebenfalls Kritik gab es für die Harburger Planungen – hier soll mit einem Fächertausch das AK Harburg die Chirurgie und das katholische Krankenhaus Mariahilf die Gynäkologie und Geburtshilfe bekommen. Dagegen ist die ÖTV, weil die Maßnahme das „Aus für das Krankenhaus Mariahilf einleitet“ und außerdem würde sie zu einer schlechteren Versorgung der Bevölkerung führen. Schwangerschaftsabbrüche gäbe es dann in Harburg nicht mehr, denn Mariahilf wird sie nicht durchführen.
Das katholische Krankenhaus kämpft erbittert gegen den Behördenplan und wird darin vom Stadtteil unterstützt: Die Bezirksversammlung hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, beide Krankenhäuser wirtschaftlich tragfähig zu erhalten. Über alle Parteigrenzen hinweg lehnten sie den Vorschlag des Fächertausches ab.
Sandra Wilsdorf
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