: So gewinnt man neue Freunde...
■ Ein Relikt aus vergangenen Zeiten kommt zu neuen Ehren: Buttons mit Meinungsangabe
mit Meinungsangabe
Ein Bekannter sagte mir noch im November, Buttons seien ein Relikt der frühen 80er Jahre. Und damit total out. Wenn er wüßte, was er mit dieser Einstellung verpaßt.
In den letzten Wochen habe ich Bekanntschaften gemacht wie nie zuvor. Da lächelt mich zum Beispiel in der Kassenschlange des Supermarktes um die Ecke die vor mir stehende Vietnamesin freundlich an und gibt mir Kochtips für das eingekaufte Gemüse. Ein gepflegt gekleideter Schwarzer erörtert mit mir an der Nachtbushaltestelle die Möglichkeiten, wie ich am schnellsten nach Hause komme, und verabschiedet mich dann wie einen alten Bekannten. Und im Postamt erfahre ich alles über die Enkel einer älteren Frau.
Nun bin ich auch sonst kein kontaktscheuer Mensch. Aber die besondere Herzlichkeit, mit der mir neuerdings begegnet wird, muß einen besonderen Grund haben. Da ich weder meine Frisur noch mein Outfit geändert habe, drängt sich nach einiger Überlegung nur eine Lösung auf: Es muß der Button sein. Jene kleine Anstecknadel, die rot auf weiß „Stoppt den Hass!“ verkündet und mich so als Mitglied der Gemeinschaft der Gegner der gewalttätigen Übergriffe gegen Ausländer kenntlich macht. Dabei bin ich froh, daß die Menschen den Text nicht so genau nehmen. Denn „Stoppt den Hass!“ ist ja eigentlich nicht mehr als eine Aufforderung an andere, aktiv zu werden. Als hätte ich selbst mit der ganzen Situation herzlich wenig zu tun. Sei's drum. AusländerInnen und andere schauen in mein Herz und erkennen, daß ich es ernst meine.
Die taz wirbt ja auch für einen Button zum Thema. „Ich greife ein“ steht drauf. Aber das lasse ich besser. Denn damit würde ich die Sicherheit verbreiten, ganz handfest zur Seite zu stehen, wenn in meinem Beisein jemand den Knüppel gegen AusländerInnen schwingt. Und dabei würde ich mich angesichts eines erhobenen
1Baseballschlägers wahrscheinlich doch mit angstschlotternden Knien in eine Ecke verdrücken. Also bleibe ich bei meinem unverfänglichen Mopo-Button.
Angesichts der großen Wirkung dieses kleinen Emblems denke ich über einschlägige Nachfolgeaktionen nach. Unverbindlich müssen sie sein und von der breiten Masse getragen. Wie wäre es mit einer Aktion „Nicht immer auf die Kleinen“
1— angesichts der wachsenden Ungerechtigkeiten des sogenannten „Solidarpakts“? Oder „Ozonloch — ohne mich“? Oder, ganz aktuell, „Vergessen wir Möllemann?“
Der Einsatz ist klein: Nadel an-
1stecken und fertig. Ganz egal, ob ich für die Umsetzung dieser Ziele auch aktiv werde. Die Sympathien breiter Kreise der Hamburger Bevölkerung werden mir sicher sein. Werner Hinzpeter
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