: Slowaken und Ungarn streiten weiter
■ Uneinigkeit bei der Auslegung des Grundlagenvertrags
Budapest (taz) – Der Streit begann schon während der offiziellen Aussöhnung von neuem: Anläßlich der Unterzeichnung des slowakisch-ungarischen Grundlagenvertrages am Sonntag in Paris sprach der slowakische Ministerpräsident Vladímir Mečiar von einer „Mißinterpretation“ Ungarns, was das Recht der 600.000 Ungarn in seinem Land auf eine Minderheiten- Autonomie angehe. Die Bemerkung Mečiars wie auch eine gleichlautende offizielle Note der slowakischen Regierung zog am Montag eine heftige Debatte im ungarischen Parlament nach sich.
Der Passus, um den es dabei geht, ist die Empfehlung 1201 (1993) des Europarates, die als eine Grundlage für die Regelung der Minderheitenfrage in den slowakisch-ungarischen Vertrag aufgenommen wurde. Demzufolge haben nationale Minderheiten in mehrheitlich von ihnen bewohnten Gebieten das Recht auf eine autonome lokale Selbstverwaltung, im Rahmen derer sie zum Beispiel Bildungsangelegenheiten selbständig regeln können. Die slowakische Regierung kritisiert dies als „kollektives Gruppenrecht“ und eine „Autonomie auf ethnischer Basis“, beides Begriffe, die im Völkerrecht keine juristische Geltung haben. Am weitesten gingen in ihrer Kritik dabei Mečiars Koalitionspartner aus der „Slowakischen Nationalpartei“, die den Vertrag im Ganzen für unakzeptabel halten, weil er die Empfehlung des Europarats enthält.
Heftig kritisiert wurde der Vertrag auch von der Opposition im ungarischen Parlament. Ihre Vertreter sahen in ihm keine Garantien für die Verwirklichung von Minderheitenrechten und wollen gegen die Ratifizierung stimmen. Die ungarische Regierung geht dennoch davon aus, daß der slowakische Standpunkt nicht rechtmäßig ist und eine Selbstverwaltung für die Ungarn in der Südslowakei daher möglich sei.
Diskutiert wurde der Vertrag auch in Rumänien. Dabei waren sich Regierung und Opposition einig, daß die Empfehlung 1201 des Europarates gar nicht erst im geplanten rumänisch-ungarischen Grundlagenvertrag stehen soll. Obwohl beide Seiten bei der OSZE-Konferenz in Paris bekundeten, weiter verhandeln zu wollen, rückt der Abschluß dieses Abkommens damit vorerst in weite Ferne. Keno Verseck
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