Ski-WM in in Garmisch-Partenkirchen: Im tiefen Tal an der Einfahrt zur Hölle
Maria Riesch gewinnt Bronze beim Super-G der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen. Und die taz ist dabei - ohne Akkreditierung und nicht mal sicherheitsüberprüft.
GARMISCH-PARTENKIRCHEN taz | Schattig ist es früh morgens am Fuße des Kreuzecks in Garmisch-Partenkirchen. Dick eingepackt stehen die Mitarbeiter eines Sicherheitsdienst an den Eingängen zur Ski-Arena. Die Sonne wird erst in zwei Stunden über den Kamm klettern. Etliche Skisportfans müssen lange kramen, bis sie ihre Eintrittskarte unter ihren dicken Jacken hervorgeholt haben. "Halt, halt! Ihre Karte müssen Sie schon zeigen", ruft ein Ordner.
"Ich bin Presse", der taz-Reporter versucht so zu tun, als sei es selbstverständlich, ohne Eintrittkarte, ohne WM-Presseticket in die Arena zu gelangen. Er zeigt seinen Presseausweis. Der Ordner muss lachen. Der taz-Reporter lacht mit. Natürlich weiß er, dass er ohne Akkreditierung nicht reingelassen wird. Weil er sich nicht vom Verfassungsschutz, dem BKA und der Polizei durchleuchten lassen wollte, hat er keine Pressekarte bekommen.
Berichten will der taz-Reporter dennoch über den Super-G der Frauen. "Ich habe Karten, Stehplatz, 20 Euro", ruft einer, der sein Ticket loswerden will. 20 statt 26 Euro. Der taz-Reporter ist drin - zumindest ein bisschen. G2 heißt der Block, für den der Reporter die Karte hat. Glück gehabt, denkt er sich, das ist ganz in der Nähe der Mixed Zone, wo die Pressevertreter die Skifahrerinnen interviewen können. Vielleicht kann der taz-Reporter etwas aufschnappen. Ein exklusives Zitat.
Viel Hoffnung auf einen interessanten Text vom Rennen hat sich der tazler nicht gemacht. Verarscht ist er sich vorgekommen, als die Veranstalter der Leichtathletik-WM in Berlin vor eineinhalb Jahren vorgeschlagen hatten, er solle sich doch einfach eine Eintrittskarte kaufen, wenn er sich dem Akkreditierungsverfahren nicht unterwerfen wolle. 2009 hatte sich die taz entschlossen, die WM der Leichtathleten zu boykottieren. Die polizeilichen und geheimdienstlichen Sicherheitsüberprüfungen wurden damals nicht nur von der taz als Eingriff in die freie Berichterstattung angesehen.
Jetzt steht der taz-Reporter in Block G2 im Tal vor der Zugspitze und wartet auf den Start des Rennens und fragt sich, wie viel er davon wohl mitbekommen wird. Pech gehabt, denkt sich der Reporter, als er nach oben schaut. Das Ziel kann er erkennen. Die letzten zehn Meter der Strecke auch. Und ein wenig weiter oben sind noch zwei Tore zu erkennen, und wenn er sich ein wenig verrenkt, noch ein drittes.
Doch da haben es die anderen Berichterstatter auch nicht besser. Sie stehen in einer Art Pferch im Zielhang. Vielleicht müssen die sich nicht verrenken, um dieses eine Tor da oben in der Einfahrt zum Zielhang zu sehen, denkt sich der taz-Reporter und schaut auf die große Videoleinwand, auf der gerade Martina Ertl, die einstige Kombinationsweltmeisterin schildert, wie eisig die Piste "an der Einfahrt zur Hölle" ist. Das ist doch schon mal was - zwar nicht exklusiv, aber immerhin ein Zitat.
Ein solches hätte der taz-Reporter auch tags zuvor gerne mitgeschrieben. Da drückte er sich vor der Olympia-Eishalle herum, in der das große Medienzentrum der Ski-WM untergebracht ist. Die Halle wirkt nicht gerade wie ein Hochsicherheitstrakt. Uniformierte Polizei ist nicht auszumachen. Die Kameraleute und Fotografen, die das Gebäude betreten, müssen sich nicht in ihre Koffer schauen lassen. Niemand muss zeigen, was er in der Tasche hat. Haben die Veranstalter doch nicht so viel Angst vor den Journalisten, wie es das Akkreditierungsverfahren vermuten lässt?
Der taz-Reporter möchte auch rein in die Eishalle. Am Akkreditierungsschalter fragt er, ob er nicht wenigstens an der gemeinsamen Pressekonferenz der Nationalen Antidopingagentur und der Weltantidopingagentur teilnehmen darf. Nur für eine Stunde wollte er rein, um vielleicht nachzufragen, was die Wada vom Vorstoß der Bundesregierung hält, die Gelder für den internationalen Kampf gegen Doping zu kürzen. Geht nicht. Der taz-Reporter darf nicht berichten. "Das ist ihre persönliche Entscheidung", sagt ein freundlicher Polizeibeamter in Zivil. Er ist in der Halle, um die Daten von Journalisten zu checken, die sich spontan akkreditieren wollen.
Mit den Ausweisen zweier slowakischer Fotografen verschwindet er im Büro. Nur fünf Minuten später ist er wieder da. "Mit ihrem Pass stimmt etwas nicht", sagt er zu einem der beiden Journalisten. 2001 sei der mal als vermisst gemeldet worden. "Das kann nicht sein", sagt der Fotograf, "ich bin mit dem Ausweis letztes Jahr problemlos in die USA eingereist." Den Beamten wundert das nicht. "Die haben ja auch nicht Zugriff auf die gleichen Dateien wie wir", sagt er. Der slowakische Kollege muss sich noch ein wenig gedulden, bis er sein Pressekärtchen umhängen kann.
Kurz bevor der Super-G beginnt, steht er auf der Fotografentribüne. Er hat also eine Akkreditierung bekommen. Er ist durchgekommen durch das Überprüfungsverfahren. Vorläufig zumindest. Denn die geheimdienstliche Überprüfung dauert noch an. Die Schnüffler sind nicht so schnell wie die Polizei.
Der taz-Reporter steht im Zielbereich, gegenüber der Fotografentribüne. Er sieht sich das Rennen auf der Großleinwand an, versucht zu erkennen, wie Maria Riesch reagiert, nachdem sie als Zweite durchs Ziel gefahren ist, wie sie sich freut, als feststeht, dass sie ihre erste WM-Medaille, eine bronzene, gewonnen hat. "Ich bin so froh, dass es zu einer Medaille gereicht hat", ruft sie durchs Stadionmikrofon. Der taz-Reporter notiert es. Dann hat sich eine Läuferin in der Mixed-Zone verirrt und steht direkt vor ihm am Zaun, der das Publikum vom Innenraum fernhält. "Herrliches Wetter habt ihr hier in Deutschland", sagt sie. Der taz-Reporter ist glücklich. Ein exklusives Zitat! Geliefert hat es ihm die Französin Marion Rolland, die 21. wurde. Mehr wollte sie nicht sagen. Sie war zu enttäuscht.
Im Zielraum stellen sich Siegerin Lizz Görgl aus Österreich, die Zweite Julia Mancuso (USA) und Maria Riesch für die Blumenzeremonie auf. Innenminister Thomas de Maizière überreicht der Siegerin ein Sträußchen. Er scheint sich sicher zu fühlen. Der taz-Reporter sucht sich einen Platz auf der Terrasse des Osterfelder Hofes direkt neben der Ski-Arena und schreibt auf, was er gesehen hat. Schön warm ist es inzwischen.
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