Skandal um Verfassungsschutz: Friedrich will Angehörige beruhigen

Innenminister Friedrich bittet die Angehörigen der NSU-Opfer um Vertrauen nach der Aktenschredder-Affäre beim Verfassungsschutz. Trotzdem bleiben Fragen offen.

Fehlendes Vertrauen: Über die Ursache der Aktenvernichtung wird spekuliert. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Skandale um die Ermittlungen zur Neonazi-Terrorzelle NSU sorgen bei den Angehörigen der Opfer seit Wochen für großen Unmut. Das Fass zum Überlaufen brachte die Schredderei potenziell wichtiger Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz, in deren Folge dessen langjähriger Präsident Heinz Fromm hinwarf – weil er sich von den eigenen Leuten hinters Licht geführt fühlte. „In was für einem Land leben wir hier eigentlich?“, ließ sich die Schwester des 2006 in Kassel von den NSU-Terroristen ermordeten Halit Yozgat zitieren.

Nun versucht Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den Unmut mit einem Brief an die Angehörigen der NSU-Opfer zu besänftigen. Und weil die Europaausgabe der Zeitung Hürriyet am Mittwoch mit dem Thema aufmachte, erreicht er damit auch die türkischstämmige Community insgesamt.

In dem Schreiben an die Opferangehörigen, das der taz vorliegt, schreibt Friedrich: „Seien Sie versichert, dass ich mich nach wie vor mit voller Kraft für eine lückenlose Aufklärung der Verbrechen des sogenannten ’Nationalsozialistischen Untergrundes‘ einsetzen werde. Es geht mir dabei auch um Ihr Vertrauen in diesen Staat und meine Zusage, alles zu unternehmen, damit sich Vergleichbares in Deutschland nicht wiederholen kann.“

Der in den Medien erhobene Verdacht, dass das NSU-Trio oder Personen in seinem Umfeld V-Leute des Verfassungsschutzes gewesen seien, sei „nach dem derzeitigen Stand“ der vorliegenden Erkenntnisse „unzutreffend“, schreibt Friedrich weiter.

Inhalt der Akten „weitgehend rekonstruiert“

Die Beunruhigung, die durch die Aktenvernichtung beim Verfassungsschutz entstanden sei, könne er gleichwohl nachvollziehen. Der Inhalt sei aber durch Dokumente in anderen Akten inzwischen „weitgehend rekonstruiert“ worden, so Friedrich.

Ob das die Opferangehörigen zufriedenstellen wird, ist aber zweifelhaft. Denn bei der letzten Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses, bei der ein Sonderermittler Friedrichs unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Stand der Dinge referierte, blieben unzählige Fragen offen. Bei den Abgeordneten verfestigte sich der Eindruck: Mit der Schredderei sollte etwas absichtlich vertuscht werden – nur was, das wissen sie immer noch nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.