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Skandal um Imane KhelifHauptsache, die da ist nicht dabei

Der Verband World Boxing sperrt die algerische Olympiasiegerin Imane Khelif. Nur gesagt haben will er das nicht. Ein Fall voller Widersprüche.

Imane Khelif (2. v. l.) mit dem algerischen Staatspräsidenten Abdelmadjid Tebboune und weiteren olympischen Medaillengewinnern Foto: Abacapress/imago

berlin taz | Ihr Name steht da, aber er dürfte da nicht stehen. Es geht um die Mitteilung des Weltverbandes World Boxing, „dass Imane Khelif nicht in der weiblichen Kategorie am Eindhoven Box Cup und anderen World-Boxing-Veranstaltungen teilnehmen darf, bis sie sich einem Geschlechtstest unterzieht“.

Die Algerierin Imane Khelif wurde 2024 in Paris Olympiasiegerin im Weltergewicht. Die Verkündung ihres Ausschlusses steht in einer Mitteilung vom 30. Mai. Es geht dort darum, dass bald sogenannte Geschlechtstests verbindlich eingeführt werden. Zwei Tage später hat sich der Präsident von World Boxing, der Niederländer Boris van der Vorst, beim algerischen Verband und bei Khelif entschuldigt – nur dafür, dass ihr Name genannt wurde: „Ich schreibe Ihnen allen persönlich, um mich formell und aufrichtig dafür zu entschuldigen und anzuerkennen, dass ihre Privatsphäre hätte geschützt werden müssen.“ In dem er an Khelif und ihren Verband schreibe, wolle er zeigen, dass wir „unseren wahren Respekt zeigen“.

Der Brief und der Ausschluss Khelifs verwirren, und zwar auf ganz vielen Ebenen. Vor allem steht nämlich in der Pressemitteilung, dass es die Richt­linie, auf der dieser Test beruhen soll, noch gar nicht gibt: sie „befindet sich in der Endphase der Entwicklung“. Zudem solle diese Vorschrift am 1. Juli 2025 in Kraft treten. Der Eindhoven Box Cup, wo Khelif antreten wollte, findet aber vom 6. bis 9. Juni statt.

World Boxing unterzieht erstmals auch Männer Tests. Im aktuellen Fall gilt das jedoch nicht

Irritierend ist zudem die explizite Mitteilung, dass Khelif „nicht in der weiblichen Kategorie“ teilnehmen dürfe. Doch die Vorschrift, die World Boxing jetzt beschlossen hat, bezieht sich auf „die Teilnahmeberechtigung von männlichen und weiblichen Athleten“. Wenn der Ausschluss von Imane Khelif nur für die Frauenwettbewerbe gilt, sie aber bei den Männern ungetestet antreten dürfte, wäre das ein Verstoß gegen diese Vorschrift. Wie World Boxing den Verdacht gegen Khelif, die stets mitteilt, sie sei eine Cis-Frau, begründet, wird ebenfalls nicht erklärt.

Und noch eine Irritation hat World Boxing fabriziert. „Gemäß der neuen Richtlinie sind die nationalen Verbände für die Tests verantwortlich“, heißt es. Im Falle Khelifs heißt das: der algerische Boxverband, der sich bislang gegen die als kolonial anmutende Demütigung empfundene Kritik an Khelif gewehrt hatte. World Boxing erklärt lediglich, dass er sich das Recht vorbehält, „bei neuen oder aktiven Athleten ein genetisches Geschlechtsscreening durchzuführen“.

Zwei Boxverbände, keine Lösung

Es zeigt sich, dass Überschriften der vergangenen Woche, wonach Imane Khelif nun auch vom Verband World Boxing gesperrt sei, zumindest zu diesem Zeitpunkt falsch waren. Aber die Schuld an den Fehleinschätzungen dürfte bei World Boxing liegen, das mit diesem Schritt nichts dazu beigetragen hat, das, was international als „Fall Khelif“ gilt, zu lösen.

Das 2023 gegründete World Boxing ist nur einer von zwei Weltboxverbänden. Älter und größer ist die International Boxing Association (IBA), die allerdings wegen Korruption und zu großer Abhängigkeit vom russischen Staatskonzern Gazprom vom olympischen Sport suspendiert wurde. In der IBA sind 196 Nationen vertreten, in World Boxing 106; die meisten Verbände pflegen Doppelmitgliedschaften.

Als die IBA noch anerkannte Weltmeisterschaften durchführen durfte, hatte 2018 Imane Khelif unbehelligt an einer WM teilgenommen. Bei den Olympischen Spielen 2021 war die IBA bereits suspendiert, und das IOC selbst organisierte das Boxturnier; da erreichte Khelif das Viertelfinale. 2022 wurde sie Vizeweltmeisterin der IBA, doch 2023 wurde Khelif unmittelbar vor dem WM-Finale, das sie durch den Sieg über eine russische Boxerin erreicht hatte, disqualifiziert: Sie habe einen sogenannten Geschlechtstest nicht bestanden.

Während und nach Olympia 2024, als die Diskussionen um Khelif besonders hitzig wurden, meldete sich die IBA zu Wort und behauptete, Khelif und eine weitere Olympiasiegerin, die aus Taiwan kommt, seien „eindeutig männlich“ oder „überwiegend männlich“. Über die Serio­sität des Tests, den die IBA in Auftrag gegeben hatte, gibt es verschiedene Einschätzungen.

„Sie wurde als Frau geboren, ist als Frau aufgewachsen, hat einen Pass als Frau und halt als Frau Wettkämpfe bestritten“, verteidigte der IOC-Präsident Thomas Bach die Boxerin. Nun erklärt das IOC World Boxing für zuständig. Und das wiederum sorgt für nicht gerade kleine Irritationen.

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2 Kommentare

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  • Das Problem an dem Fall ist doch eher, dass das IOC solche Tests nicht bereits vor den Olympischen Spielen eingeführt hat. Jetzt gibt es einen neuen Verband, der auch schon vom IOC beauftragt ist und der sucht nun halt mal recht schnell nach der Einführung längst überfälliger Regeln. Schade für die übrigen Teilnehmerinnen der letzten Spiele.

  • Nach dem Aufbrechen der Geschlechterbinarität, muss sich halt auch im Sport was ändern. Die Zweiteilung der meisten Sportarten ist mittlerweile anachronistisch und wird immer zu solchen Problemen führen. Am wichtigsten müsste aber sein, das niemand vom Sport ausgeschlossen werden darf.