Skandal um Ex-Umweltministerin: Alles gewusst, nichts gesagt
Dem NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet war seit Wochen klar, dass der angebliche Hackerangriff auf seine Agrarministerin keiner war.
Stattdessen habe Laschets Regierungssprecher Christian Wiermer die „Geschichte aufgeblasen, um Mitleid und Solidarität für eine schwer angeschlagene Ministerin zu organisieren“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty am Donnerstag bei einer aktuellen Stunde im Landtag. „Das ist eine Sauerei, Herr Laschet“, meinte Kutschaty – und bekräftigte zusammen mit der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Monika Düker, seine Forderung nach Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses.
Regierungssprecher Wiermer hatte am 16. März verkündet, „nach Informationen der nordrhein-westfälischen Ermittlungsbehörden“ habe es „von bisher unbekannter Seite Versuche gegeben, auf persönliche Daten der Ministerin zuzugreifen. Mindestens teilweise waren die Versuche demnach auch erfolgreich.“
Vertuschen und vernebeln
Schulze Föcking stand da bereits massiv unter Druck: Kurz zuvor hatte „stern tv“ schwer erträgliche Bilder aus den Ställen des Mastbetriebes ihrer Familie im münsterländischen Steinfurt gesendet, die Tierrechtler zuvor heimlich aufgenommen hatten: Zu sehen waren schwer verletzte Tiere, die sich in drangvoller Ende gegenseitig angefressen hatten, deren Gewebe teilweise teilweise abgestorben war und die auf entzündeten Gelenken umherhinkten. Außerdem hatte die staatlich geprüfte Landwirtin auch die Stabsstelle Umweltkriminalität ihres Ministeriums aufgelöst, die eine Akte zur „Schweinehaltung Betrieb Schulze Föcking“ angelegt hatte.
Mit der angeblichen Hackerangriff schienen diese Vorwürfe dann aber zweitrangig. Stattdessen nahm der Landtag die möglichen Täter, mutmaßlich militante Tierschützer, ins Visier. Deren Vorgehen sei „abstoßend“, hieß es in einer gemeinsamen Solidaritätserklärung von CDU, FDP, SPD und Grünen für Schulze Föcking. Allerdings: Cyberexperten des Landeskriminalamt fanden auf deren Hof im Münsterland keinerlei Hinweise auf einen Hack – und teilten das der 41-Jährigen am 29. März mündlich und am 18. April auch noch einmal hochoffiziell schriftlich mit.
Schulze Föcking aber reichte die Information nicht weiter. Im Landtag gab sie weiter das Opfer, nahm erneut Solidaritätsbekundungen entgegen. Erst am 7. Mai erklärte sie, verdächtige Fernsehbilder auf ihrem heimischen, internetfähigen TV seien wohl nicht durch kriminelle Hacker, sondern durch die „unbemerkte Fernbedienung eines Tablets in einer anliegenden Wohnung“ eingespielt worden – und schob die Schuld dafür ihren Eltern zu: Sie lebe „in einem Mehrgenerationen-Haus“.
Im Gegensatz zu Öffentlichkeit und Opposition über den Stand der Affäre immer bestens informiert war dagegen Regierungschef Laschet. Schon am Mittwoch hatte der Ministerpräsident im Landtag einräumen lassen, jederzeit „zeitnah“ über den Stand der Ermittlungen, also auch über das Ende des Hacker-Verdachts, im Bild gewesen zu sein – und bestätigte dies einen Tag später auch noch einmal persönlich. Landtag und Öffentlichkeit habe er dieses Wissen aber nicht weitergeben können: Er informiere niemals über noch laufende Ermittlungsverfahren, so Laschets schwache Begründung.
„Vertuschen und Vernebeln gehört zum Stil dieser Landesregierung“, sagt SPD-Fraktionschef Kutschaty deshalb. Von einer „taktischen Täuschung der Öffentlichkeit“, sprach die Grüne Düker. Offiziell über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschließen wollen beide Fraktionen Ende Mai.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut