Situation von Frauen in Afghanistan: Wegen Unmoral in den Knast
In Afghanistan werden immer mehr Frauen inhaftiert. Der Vorwurf: Sie sollen „moralische Verbrechen“ begangen haben. Human Rigths Watch legt alarmierende Zahlen vor.

KABUL dpa | Die Zahl der wegen angeblicher „moralischer Verbrechen“ verurteilten Frauen in Afghanistan hat nach Angaben von Menschenrechtlern dramatisch zugenommen. Die Organisation Human Rights Watch (HRW) berichtete am Dienstag unter Berufung auf Zahlen des Innenministeriums in Kabul, im laufenden Monat seien bereits 600 Mädchen und Frauen unter diesen fragwürdigen Vorwürfen inhaftiert worden.
Das seien 50 Prozent mehr als im gesamten Oktober 2011. Oft hätten diese Frauen nur versucht, häuslicher Gewalt zu entkommen. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass Täter strafrechtlich verfolgt würden, „nicht Frauen, die vor Missbrauch fliehen“.
Die Organisation mit Sitz in New York kritisierte, zwölf Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes und vier Jahre nach dem Erlass eines Präsidenten-Dekrets zum Schutz von Frauen würden diese immer noch eingesperrt, „weil sie Opfer von Zwangsehe, häuslicher Gewalt und Vergewaltigung werden“.
Im vergangenen Jahr hätten 95 Prozent der inhaftierten Mädchen und 50 Prozent der inhaftierten Frauen im Gefängnis gesessen, weil sie beschuldigt worden seien, von zu Hause davongerannt zu sein oder Ehebruch begangen zu haben. Manche Frauen würden nach Vergewaltigungen wegen Ehebruchs verurteilt.
Debatte über Dekret ausgesetzt
Am vergangenen Samstag hatte das Parlament in Kabul eine Debatte über das Präsidenten-Dekret ohne die geplante Abstimmung ausgesetzt. Nach heftigem Widerstand von islamistischen Abgeordneten gegen das Gesetz wurde der Entwurf in einen Ausschuss zurücküberwiesen. Das bislang geltende Dekret würde von dem Gesetz abgelöst.
Nun wird befürchtet, dass Islamisten das Gesetz vor einer Zustimmung im Parlament verwässern könnten. Das Gesetz wäre dann schwächer als das bislang geltende Dekret aus dem Jahr, die prekäre Lage der Frauen in Afghanistan würde weiter geschwächt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Wahlkampf in Deutschland
Rotzlöffeldichte auf Rekordniveau
Regierungsbildung nach Österreich-Wahl
ÖVP, SPÖ und Neos wollen es jetzt miteinander versuchen
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“
Buch über Strategien von AfD und Putin
Vergangenheit, die es nie gab
+++ Die USA unter Trump +++
Trump entlässt den Generalstabschef der US-Streitkräfte