Sinologin über Chinas Umweltschutz: "Private Initiativen existieren"
Grün sind die Spiele selbst zwar nicht, sagt die Umweltexpertin Eva Sternfeld. Aber ein Anfang ist gemacht. Immerhin können Behörden die Umweltprobleme nicht mehr leugnen.
taz: Frau Sternfeld, die chinesischen Organisatoren haben die Olympischen Spiele in Peking zu "Grünen" Spiele erklärt. Wie umweltfreundlich sind diese Spiele tatsächlich?
51, ist Sinologin und hat sich auf Umweltthemen spezialisiert. Bis vor einigen Monaten hat sie acht Jahre in Peking gelebt und beim staatlichen Umweltinformationszentrum gearbeitet.
Eva Sternfeld: Das Wort "grün" wird in China leider sehr inflationär gebraucht. Irgendwie ist alles grün. Was genau damit gemeint ist, bleibt meistens offen.
Sie meinen, die Spiele sind gar nicht wirklich grün?
Ja und nein. Auch wenn zwischendurch immer wieder der Eindruck entsteht, dass die Pekinger Behörden die Luftverschmutzung nicht in den Griff bekommen, wurde in den vergangenen Jahren doch sehr viel getan. Das drückt sich allein in den Zahlen aus. Es hagelt Kritik, dass zu viel Geld für die pompösen Sportstätten ausgegeben wurde. Der Bau neuer Stadien hat aber gerade einmal 9 Prozent der Gesamtausgaben von rund 30 Milliarden US-Dollar ausgemacht. Rund 30 Prozent flossen für den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Sage und schreibe 55 Prozent für die Umwelt. Das ist schon beachtlich.
Wie macht sich das konkret bemerkbar?
Vor allem für die Wasserreinhaltung hat die Stadt sehr viel getan und neue Kläranlagen gebaut. Zudem haben die Behörden damit begonnen, einige der asphaltierten Straßen aufzureißen, damit mehr Regenwasser in den Boden sickern kann und der Grundwasserspiegel wieder steigt. Auch viele neue Grünanlagen sind entstanden.
Aber was ist daran umweltfreundlich, wenn Millionen von Kubikmeter Wasser aus der ohnehin schon trockenen Nachbarprovinz Hebei abgesaugt werden, nur damit die Kajuten in Peking Slalom fahren können? Hätten sie nicht auch woanders paddeln können?
Aufs Jahr gerechnet hat Peking gar nicht weniger Niederschlag als Berlin. Er verteilt sich nur viel ungleichmäßiger. Während es im Winter in Peking fast nie regnet, ist im Juli und August normalerweise Regenzeit. Seit sieben Jahren ist es aber auch im Sommer sehr trocken. Früher hat der nahe gelegene Miyun-Stausee gereicht, um den Trinkwasserbedarf der Hauptstadt abzudecken und die Organisatoren haben wohl gedacht, dass sie auf dieses Wasser zurückgreifen können. Dieser See ist fast ausgetrocknet. Aber Sie haben recht. Eine solche Wildwasserbahn ist Verschwendung.
Trotzdem glauben Sie, dass mit diesen Spielen beim Umweltschutz ein Anfang gesetzt wurde?
Nicht alle Projekte sind sinnvoll, aber immerhin kehren die Offiziellen die Umweltprobleme nicht mehr unter den Teppich. Sie haben erkannt, dass Fahrverbote in der Innenstadt nichts bringen, solange nicht auch im Umland etwas getan wird.
Seit Beginn der Spiele gibt es tatsächlich einige Tage, an denen die Luft sauberer ist. Könnten die Spiele dafür sorgen, dass die Pekinger die saubere Luft schätzen lernen und dauerhafte Fahrverbote fordern?
Die Pekinger wussten auch schon vorher saubere Luft zu schätzen. Das Problem: Peking liegt sehr ungünstig. Nur wenige Kilometer gen Westen steigen die Berge steil an und das mongolische Hochland beginnt. Wenn kein Wind weht, was gerade im August öfters der Fall ist, staut sich im Stadtgebiet warme, stickige Luft aus dem Südosten. Es entsteht dieser unangenehme Nebel, der sich dann mit den Abgasen vermischt.
Warum finden die Spiele dann im August statt?
Die chinesische Seite wollte die Spiele im September ausrichten. Das IOC bestand auf den August. Erst daraufhin haben die Chinesen die Eröffnung auf den 8. 8. gelegt, was in China ja ein Glücksdatum ist.
Massenweise Fabrikschließungen und Fahrverbote - so gut das Ansinnen gemeint ist. So rigide können Behörden nur in einer Diktatur vorgehen.
Fahrverbote gibt es in Demokratien auch. Viel problematischer finde ich, dass diese Fahrverbote in China nichts bringen. Reiche Leute finden immer eine Hintertür, diese Beschränkungen zu umgehen. Es gibt aber auch vernünftige Maßnahmen. Zum Beispiel wird wieder dazu aufgefordert, mehr Rad zu fahren.
Es handelt sich aber um staatlich oktroyiertes Umweltbewusstsein.
In China ist das Thema Umwelt von oben gekommen. Das stimmt. Aber seit einiger Zeit gibt es auch Umweltinitiativen, die von Privatleuten getragen werden. Auch wenn sie staatlich gelenkt ist - eine chinesische Umweltbewegung existiert.
INTERVIEW: FELIX LEE
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