: Sinnliche Pest
Mit Phallazo d‘amore will die Werkstatt für freie Bühnenkunst das Kontorhaus wieder der Wolllust weihen
Im Zentrum steht die Festtafel. Diese werden die Schauspieler von der Werkstatt für freie Bühnenkunst Bremen zur Bühne für Gaukelei, Gesang und Schauspiel machen, während das Publikum speist. Ein erotisches Festmahl versprechen sie den Besuchern des alten Kontorhauses in der Schildstraße: Am Donnerstag feiert Phallazzo d‘amore Premiere.
Das Stück sei, berichtet Regisseur Kevin Young von den Proben, dem Haus auf den Leib geschneidert: Gleich zu Beginn will das Ensemble den Keller zu einem Panoptikum einer imaginären Renaissance mit lebendigen Ikonen und lüsternen Poeten verwandeln und auf das Gelage einstimmen.
Das ist zugleich Teil und Begleitung eines von der Renaissance inspirierten Bilderbogens, der frei an die Rahmenerzählung von Giovanni Boccaccios Decamerone und Edgar Allen Poes „Die Maske des roten Todes“ anknüpft. Trotz der unterschiedlichen Epoche – Boccaccio schreibt in der Frührenaissance, Poe im 19. Jahrhundert – liegt die Verknüpfung der Erzählungen nahe. Und das nicht nur, weil Poe für seine unheimliche Erzählung auf die Gattung der Novelle zurückgreift und sich damit indirekt auf Boccaccio bezieht, der die Form gleichsam erfunden hat. Auch auf motivischer Ebene sind sie eng verwandt: Sie kreisen um die Themen Pest und Wolllust – und dafür dürfte das einstige Freudenhaus in der Schildstraße einen angemessenen Rahmen abgeben.
„Die Produktion wird ein finanzielles Desaster“, weiß der Regisseur schon vor der Erstaufführung. Dass zu wenig Interesse an dem sinnlichen Theaterereignis bestünde, befürchtet er nicht. Allerdings liege in der engen Bindung an das Haus zugleich der Reiz und das Problem der Inszenierung: „Erst wenn ein Stück auf Tour gehen kann, lohnt es sich kaufmännisch.“ Ein Argument gegen das Projekt sei das jedoch nie gewesen. Das spricht für die Besessenheit der Truppe. Obgleich Ansteckungsgefahr bestehen dürfte: Das ist ein gutes Omen.
bes
Phallazo d‘amore im Kontorhaus in der Schildstraße 21, Von heute täglich bis Dienstag, 17. Dezember jeweils um 21 Uhr, begrenzte Zuschauerzahl.
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