Sind Sie glücklich?: „Früher waren wir glücklicher“
■ 11 Uhr, Alexanderplatz. Der 28jährige Piotr Jarmarek aus Danzig war besonders glücklich, als seine kleine Tochter zum ersten Mal Papa zu ihm sagte
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Alexanderplatz und dem Wittenbergplatz um.
Der 28jährige Piotr Jarmarek: Ich bin glücklich, wenn ich hier bin. Wenn ich Ferien habe und nicht über Arbeit und lauter Sorgen nachdenken muß. Ich glaube, Menschen sind glücklich, wenn sie den richtigen Job haben und tun, was sie wirklich wollen. Denn wenn du eine Arbeit machst, die du nicht magst, ist das furchtbar. Dann wachst du morgens auf und fühlst dich schlecht. Ich mag meinen Job, ich arbeite am Kiosk meines Schwiegervaters.
Am glücklichsten war ich bei meinem ersten Sex und der Geburt meines Kindes. Und als meine Tochter ihre ersten Worte sprach: Papi! Nicht Mami. Richtig unglücklich bin ich selten: Einmal, als ich noch jung war und meine Freundin sich einen anderen Freund suchte, war ich todtraurig. Aber eigentlich bin ich ein glücklicher Mensch. Ich habe eine neue Wohnung, ein gutes Auto, eine nette Frau und ein Kind. Ich brauche nicht so viel, ich bin zufrieden.
Polen ist ein verrücktes Land: Alles geht drunter und drüber. Jetzt ist es bei uns sehr schwer. Die Löhne sind seit Jahren nicht erhöht worden, doch alles ist teurer geworden. Vor der Wende war das anders: Das Land war zwar arm, und es gab viel Polizei, aber das Leben war viel einfacher. Wir waren früher glücklicher und sorgloser. Ich bekam damals eine winzige Kiste mit Legosteinen – und ich habe mich so darüber gefreut. Meine Tochter hat heute zehn Kisten, und die sind ihr völlig schnuppe. Wenn man sich damals traf, dann waren die Tische voll. Jedes Haus stand offen, und die Menschen waren sehr gastfreundlich. Jetzt bietet man sich kaum mehr etwas an, und es ist fast so wie in Deutschland: Man muß erst anrufen und sich ankündigen. Gudula Hörr
Heute stehen wir auf dem Wittenbergplatz
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