Sind Sie glücklich?: „Du bist ja nur Dreck!“
■ 11 Uhr, Alexanderplatz: Andrea war mal obdachlos und glücklich dabei. Sie findet es blöd, dafür von Leuten diskriminiert zu werden, die die Gründe nicht kennen
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Wittenbergplatz und dem Alexanderplatz um.
Die 14jährige Andrea Drews: Im Moment bin ich zufrieden, aber ich finde es doof, wenn irgendwelche andere Menschen Obdachlose runtermachen. Ich war auch mal obdachlos, von letzten Februar bis März. Ich war schon glücklich, aber es war blöd, daß die Menschen einen immer so angesehen haben wie „Du bist ja nur Dreck“. Ich hatte mich mit meinen Eltern gestritten. Es ging immer um die Schule, weil ich geschwänzt hab'. Dann bin ich von der Schule geflogen, und als es
Andrea Drews
dann richtig Ärger mit meiner Mutter gab, hab' ich meine Sachen gepackt und bin einfach zum Bahnhof Zoo gegangen.
Die Leute da sind ganz anders, irgendwie faszinierend. Die nehmen alles nicht so ernst. Aber die Menschen, die an denen vorbeigehen, sagen immer: „Das sind alles Penner. Die wollen von uns nur Geld haben.“ Dabei kennen die die Gründe der Obdachlosen gar nicht. In der Obdachlosenunterkunft, in der ich war, war es total geil. Die Menschen dort haben mir alles erzählt, warum sie auf die Straße gekommen sind und so. Zu meinen Eltern habe ich gar keinen Kontakt mehr. Nur zu meinem Bruder. Mein anderer Bruder ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Jetzt wohne ich mit meiner Freundin, die ich noch vom Bahnhof Zoo kenne, in einer Jugend-WG. Die Sozialarbeiter dort sind wirklich sehr verständnisvoll und hören einem immer zu, wenn man Probleme hat. Die interessiert deine Vergangenheit gar nicht. Es ist wirklich geil da.
Jetzt habe ich gerade ein Angebot bekommen von einer Hilfsschule für schwererziehbare Jugendliche und zurückgebliebene Kinder. Die gucke ich mir morgen mal an, und dann werde ich sehen. Corinna Budras
Am Sonntag stehen wir auf dem Wittenbergplatz
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