Sind Sie beschäftigt?: „Damals gab es auch keine Lehrstellen“
■ Die 84jährige Emma Bonnet ist mit Knöppeannähen, Schuheeinfetten und Maniküre voll beschäftigt. Arbeitslose könnten Grünflächen pflegen, aber „acht Stunden sind zu happig“
In Berlin gibt es 290.000 Arbeitslose, nur jeder vierte Einwohner lebt von Erwerbsarbeit. Doch auch wer keine Arbeitgeber hat, ist nicht ohne Arbeit. Die taz fragt deshalb: „Sind Sie beschäftigt?“
Die 84jährige Emma Bonnet: Ich gehe spazieren, viel kann ich ja nicht, weil ich's an der Hüfte habe. An beiden. Zur Zeit kriege ich so Packungen und Massagen, und das tut gut. Ich habe mit 60 Jahren aufgehört zu arbeiten. Ich war im Elektroapparatewerk Treptow am Büffet. Ich habe sie alle kennengelernt, Wilhelm Pieck und alle. Obwohl ich nicht in der Partei war, haben sie mich doch gelassen. Ich durfte mit, ich war vertrauenswürdig. Ich bin 1914 geboren. Wir sind drei
Schwestern. Keine von uns dreien hat damals eine Lehrstelle gehabt. Das war so wie heute. Doch zu der Zeit gab es noch Arbeiten wie Drähteschneiden bei Blaupunkt, was es heute gar nicht mehr gibt. Ich habe in der Rungestraße in einer Keksfabrik die Waffeln aufgesteckt. Wissen Sie, was ich verdient habe die Woche? Zwölf Mark. Damals gab's ja noch kein Kindergeld, nüscht. Ja, damals war mehr Arbeit da. Heute ist doch alles elektronisch.
Ich bin immer beschäftigt. Ich mache noch alles selber. Ich gehe nicht zur Maniküre, ich mache das selber. Auch saubermachen. Das braucht alles viel Zeit, das geht nicht mehr so schnell. Die Umstellung damals zum Ruhestand ist mir überhaupt nicht schwergefallen. Ich bin noch zwanzig Jahre lang wandern gegangen, mittwochs, sonnabends und sonntags. Es war wunderbar.
Wissen Sie, das Grüne an den Straßen ist alles so verwildert. Da könnte man Arbeitslose einsetzen. Aber nicht zu lange, acht Stunden ist schon ein bißchen happig. Ich kann es nicht verstehen, wenn jemand nichts mit sich anzufangen weiß. Ich habe immer zu tun. Mal muß ich die Knöppe festnähen, dann nehme ich die ganzen Winterschuhe raus und fette sie ein, nachmittags gucke ich ein bißchen in die Röhre, und dann geht's ins Bett. Barbara Bollwahn
wird fortgesetzt
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