Sind Sie beschäftigt?: „Der Papierkrieg macht mich fertig“
■ Der Unternehmer Werner Flick klagt, wie schwer es ist, Mitarbeiter zu finden. „Von zehn Leuten, die ich herbestelle, kommen neun nicht.“ Er hat schon oft bereut, selbständig zu sein
In Berlin gibt es 290.000 Arbeitslose, nur vierzig Prozent leben von Erwerbsarbeit. Doch auch wer keinen Arbeitgeber hat, ist nicht ohne Arbeit. Die taz fragt deshalb: „Sind Sie beschäftigt?“
Der 51jährige Werner Flick: Ich habe ein Unternehmen. Ich vertreibe Anhänger für Pferde, Hunde und Sachen, die man eben nicht mehr in den Lieferwagen kriegt. Ich muß als Unternehmer leider oft feststellen, daß es schwer ist, Leute zu finden, die arbeiten wollen. Heute morgen habe ich die Zweite Hand gekauft, weil ich jemanden suche zum Adressenschreiben. Das war halb neun. Ich habe bestimmt 30 Leute angerufen, und keiner ist ans Telefon gegangen. Wahr
scheinlich schlafen die um die Zeit noch. Das schleift sich dann so ein, selbst bei Leuten, die annonciert haben. Ich bin ständig am Suchen und habe Probleme, Leute zu finden. In den Abendstunden geht es dann besser. Ich habe auch schon selber annonciert. Aber von zehn Leuten, die ich herbestelle, kommen neun nicht. Ich nehme an, daß die entnervt sind und nach einigen Absagen glauben, es bringt eh nichts. Ich kann es mir nicht erlauben, Leute fest anzustellen. Außerdem ist das Risiko ziemlich groß durch den ganzen Sozialklimbim. Ich bin aber durchaus bereit, jemanden fest zu übernehmen, wenn er gut ist.
Ich bin seit 1991 selbständig und habe es schon öfter bereut. Gerade wenn man völlig alleingelassen ist und niemanden hat, der da ist, wenn man wegmuß. Wenn ich nach Westdeutschland reise, muß ich zumachen. Das ist schlecht für die Kunden, die die Annonce gelesen haben und extra von irgendwoher anreisen wegen einem Anhänger.
Ich arbeite von morgens drei Uhr bis abends zehn Uhr. Der Papierkrieg macht mich fertig. Bestellungen, Rechnungen, Finanzamt, Buchführung, Kundenangebote. An den Wochenenden fahre ich zu meiner Freundin nach Westdeutschland. Ansonsten gehe ich gerne ins Kino und zu Partys. Barbara Bollwahn
wird fortgesetzt
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