piwik no script img

Simbabwes Premier tritt anKampf um Afrikas reichstes Land

Am Mittwoch tritt Oppositionsführer Tsvangirai sein Amt als Premier von Simbabwe an. Der Machtkampf mit Diktator Mugabe ist allerdings noch lange nicht entschieden.

Neuer Premierminister, diktatorischer Präsident: Tsvangirai und Mugabe. Bild: dpa

Cholera-Epidemie außer Kontrolle

Die Cholera-Epidemie in Simbabwe ist nach Einschätzung des Caritas-Arztes Joost Butenop außer Kontrolle. "Mittlerweile ist 1 Prozent der Bevölkerung an Cholera erkrankt. Das ist eine humanitäre Katastrophe gigantischen Ausmaßes. Es ist vermutlich die größte Cholera-Epidemie der Geschichte Afrikas", berichtet der Medizi-ner nach der Rückkehr von einem Einsatz in Simbabwe. Laut Butenop können die Patienten kaum noch versorgt werden: "In ganz Harare arbeiten in staatlichen Krankenhäusern noch sieben Ärzte. Es sind Geisterhäuser." Chirurgen seien gezwungen, Kaiserschnitte ohne Sauerstoff, Tupfer, sterile OP-Instrumente und fließendes Wasser durchzuführen.

An diesem Mittwoch soll eine neue Ära für Simbabwe beginnen, wenn Oppositionsführer Morgan Tsvangirai als Premierminister eingeschworen wird. Nach Jahren politischer Konfrontation ist dies ein historisches Ereignis. Unter der Bevölkerung macht sich vorsichtiger Optimismus breit, dass dies der Beginn eines langen und schweren Weges zum Wiederaufbau eines zerstörten Landes sein könnte. Als Simbabwe 1980 unabhängig wurde, war es eines der reichsten Länder Afrikas; inzwischen liegt die Wirtschaft am Boden. Seit dem Jahr 2000 hat die Staatsmacht die meisten der 4.500 weißen Farmer, die die exportorientierte Agrarwirtschaft betrieben, enteignet und damit den Zusammenbruch des einträglichsten Teils der Volkswirtschaft provoziert. Die Parole "Land für das Volk" wurde in ihr Gegenteil verkehrt, als die meisten enteigneten Farmen in den Besitz von Führern der Regierungspartei Zanu-PF (Simbabwe Afrikanische Nationalunion/Patriotische Front) übergingen. Während tausende Weiße ins Exil gingen, wurden hunderttausende schwarze Farmarbeiter verjagt und zu Flüchtlingen im eigenen Land gemacht.

Infolge dieser Staatswillkür schlossen auch zahlreiche andere Unternehmen in der verarbeitenden Industrie, im Bergbau, in der Kommunikationsbranche, im Tourismus. Der kommerzielle Lebensmittelanbau kam zum Erliegen. Devisenmangel stoppte den Import wichtiger Güter. Eine Hyperinflation entwickelte sich, die bis heute wütet. Die Volkswirtschaft schrumpft seit 2000 jedes Jahr. Heute haben nur noch 10 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung einen bezahlten Arbeitsplatz, und sie streiken meistens, weil sie kaum bezahlt werden. Der Lebensmittelmangel hat Hunger hervorgerufen, die meisten Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen haben geschlossen. Es gibt kaum noch Strom und fließendes Wasser. Über 3.000 Menschen sind an einer vermeidbaren Choleraepidemie gestorben. Soldaten plündern regelmäßig im ganzen Land die Menschen aus, um ihren mageren Sold aufzubessern, der gerade mal einen halben Euro im Monat ausmacht.

Nun hoffen die Simbabwer, dass Tsvangirais Amtsantritt als Premierminister ihr Land international salonfähig macht und damit wieder Geld aus dem Ausland fließt oder kurzfristig zumindest mehr Nothilfe und Lebensmittel bringen. Aber einfach wird das nicht. Mugabes Regierungspartei und Tsvangirais MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel) trauen sich gegenseitig nicht.

Die MDC hatte im März 2008 die Parlamentswahlen und die erste Runde der Präsidentschaftswahl gewonnen, aber die Mugabe-Regierung blieb ungerührt an der Macht. Die Zanu-PF, die 1980 als bewaffnete Befreiungsbewegung an die Macht kam, hat noch stets jede organisierte Opposition unterdrückt.

Die Machtteilung mit der MDC wurde eigentlich schon im September 2008 vereinbart, aber ihre Umsetzung scheiterte an der Weigerung der Regierungspartei, Schlüsselposten abzugeben. Ob es jetzt gutgeht, muss sich erst noch beweisen. Die MDC wird sehr vorsichtig beobachten, wie die gemeinsame Regierung funktioniert. Analysten sagen, es wird mindestens sechs Monate dauern, bevor Geber und Investoren sich sicher genug fühlen, ob die Regierung hält oder nicht. Erst dann sei auch an eine Aufhebung der personenbezogenen Sanktionen von EU und USA gegen die wichtigsten Angehörigen der Mugabe-Regierung zu denken.

Viele multinationale Unternehmen, die bis 2000 in Simbabwe aktiv waren, haben noch immer verlassenen Besitz und Maschinerien im Land, die sie im Prinzip wieder nutzen könnten, wenn sie noch in gutem Zustand wären. Simbabwe verfügt über reiche Vorkommen an Bodenschätzen wie Gold, Eisenerz, Kupfer, Diamanten, Kohle, Platin, Chrom, Nickel, und es ist zu erwarten, dass Bergbaufirmen versuchen werden, sich die Abbaurechte möglichst früh zu sichern. Auch die brachliegenden Farmen könnten wieder instand gesetzt werden.

Dabei ist aber mit Rivalität unter Investoren zu rechnen. Mugabe hat sich in den letzten Jahren verstärkt Asien und insbesondere China zugewandt. Simbabwes Tabak, eines der wichtigsten Exportgüter, wird nach China exportiert im Tausch für Maschinen, Chemikalien, Computer oder Autos. Simbabwes Staatsfirmen sind gesetzlich verpflichtet, Einkäufe bei "befreundeten Ländern" wie China zu tätigen. Ein asiatisches Interesse am Landkauf in Afrika gibt es auch in Simbabwe.

Ein großes Problem ist auch, dass von den einst 13 Millionen Simbabwern 5 Millionen ausgewandert sind, darunter Ärzte, Dozenten, Lehrer, Krankenpfleger, Handwerker, Bergleute. Die neue Regierung wird einen Weg finden müssen, ihnen die Rückkehr aus Südafrika, Botswana, Großbritannien und Australien schmackhaft zu machen. Mugabes Partei wird das nicht wollen, weil die Emigranten mehrheitlich MDC-Anhänger sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!