■ CDU/CSU bereiten Erhöhung der Mehrwertsteuer vor: Signal für die nächste Umverteilung
Die Mehrwertsteuer wird erhöht, und zwar bald. Die Diskussion in Bonn ist keineswegs nur ein Sommertheater von Leuten, die in den Parlamentsferien ihre Chance sehen, endlich einmal in den Medien aufzutauchen. Sie wurden vorgeschickt von denen, die in Bonn wirklich etwas zu entscheiden haben.
Noch vor ein paar Wochen bestritt Finanzminister Theo Waigel, in naher Zukunft die größte Verbrauchssteuer heraufsetzen zu wollen. Jetzt läßt er seine Sprecherin verkünden, möglicherweise bleibe der ermäßigte Satz für Lebensmittel und Bücher stabil. Auch Waigel tut inzwischen so, als ob die Erhöhung längst beschlossene Sache sei. Doch alles solle sozial ausgeglichen sein, versichern Unionspolitiker der vorderen und hinteren Reihen. Wenn der erniedrigte Satz für Essen und Trinken auf dem heutigen Niveau bliebe, würden Arme und Familien nicht belastet – als ob nicht auch sie ab und zu neue Schuhe bräuchten. Die größte Last der heutigen Mehrwertsteuer tragen die unteren Einkommensschichten, die bis zu 3.000 Mark zur Verfügung haben. Daran wird auch eine weitere Spreizung der Steuersätze nichts ändern.
Angeblich soll die Mehrwertsteuererhöhung die lange angekündigte Steuerreform finanzieren. Vor allem die Spitzensteuersätze sollen gesenkt, dafür aber auch Absetzungsmöglichkeiten abgeschafft werden. Doch Privilegien zu vernichten ist schwer. Als die Bundesregierung Anfang des Jahres die Steuervorteile für Dienstwagen abschaffte, brach ein Sturm der Entrüstung bei Automobilindustrie, Managern und Gewerkschaften los. Zehntausende von Arbeitsplätzen würden gefährdet, hieß es unisono.
So ist viel wahrscheinlicher, daß die Regierung die Mehrwertsteuermilliarden nutzt, um die SPD-Länder beim Sparpaket zu spalten, indem sie zum Beispiel die ABM-Kürzungen im Osten abmildert. Zum zweiten wird Theo Waigel das Geld zum kurzfristigen Stopfen von Finanzlöchern gebrauchen. Denn selbst wenn das Sparpaket im Herbst durchkommen sollte, fehlen aufgrund der schlappen Konjunktur noch immer riesige Summen. Und: Das Geld nimmt der Regierung den Druck zu einer baldigen Steuerreform und damit zum Angriff auf die Privilegien der Vielverdiener. Der neueste Steuercoup wird die Lastenumverteilung von oben nach unten fortsetzen. Annette Jensen
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