Sierra Leone: UN-Tribunal verurteilt Ex-Putschisten
Drei Mitglieder der Militärjunta aus der Zeit des Bürgerkriegs sind schuldig gesprochen worden. Sie waren wegen Terror und Versklavung angeklagt
BERLIN taz Das UN-Sondertribunal für Sierra Leone hat gestern nach fünf Jahren Arbeit seine ersten Urteile gefällt. Drei Mitglieder der Militärjunta, die das Land zur schlimmsten Zeit des Bürgerkriegs regierte, wurden von dem Gericht in der sierra-leonischen Hauptstadt Freetown in 14 Anklagepunkten für schuldig befunden. Das Strafmaß wird am 16. Juli verkündet.
Tamba Alex Brima ("Gullit"), Brima Bazzy Kamara ("Alhaji") und Santigie Borbor Kanu ("Five-Five") waren laut Anklage drei der höchstrangigen Angehörigen der Junta AFRC (Armed Forces Revolutionary Council) unter Sergeant Johnny Paul Koroma, die Sierra Leone 1997/98 mit Hilfe der berüchtigten Rebellenbewegung RUF (Vereinigte Revolutionäre Front) sowie der Regierung des Nachbarlandes Liberia unter ihren damaligen Präsidenten Charles Taylor regierte und schließlich von einer nigerianischen Militärintervention gestürzt wurde. Die drei wurden 2003 festgenommen. Die Anklageschrift wirft ihnen unter anderem Terrorisierung der Zivilbevölkerung, Ausrottung und Mord, Vergewaltigung und sexuelle Versklavung vor.
In der offiziellen Kabinettsliste der AFRC-Junta von 1997 tauchen die ersten beiden Angeklagten mit den Titeln PLO (Public Liaison Officer) auf, von denen es drei gab und die in der Rangliste gleich nach der Juntaführung kamen. Tamba Brima (PLO 2) war für Arbeit, Zoll, Post und Telekommunikation zuständig, Bazzy Kamara (PLO 3) für Landwirtschaft, Fischerei, Energie, Steuern und Lotto. PLO 1, Abu Sankoh, wurde nach dem Sturz der Junta hingerichtet.
Der dritte Angeklagte, Santigie Borbor Kanu, findet sich nicht auf der damaligen Regierungsliste, wird aber heute als genauso wichtiges Mitglied der Junta dargestellt. Zusammen mit den anderen macht das Tribunal ihn außerdem für Gräueltaten der Juntasoldaten im Distrikt Kono nach dem Sturz der AFRC verantwortlich. Borbor Kanu soll auch einer der drei Kommandanten sein, die mit einer Koalition von AFRC und RUF Anfang 1999 kurzzeitig Sierra Leones Hauptstadt Freetown besetzten und weitgehend zerstörten.
Die Urteile bedeuten den Abschluss des ersten der vier Verfahren des Sierra-Leone-Tribunals. Drei finden in Gruppen statt. Neben der AFRC stehen die verbliebenen Führer der RUF vor Gericht und getrennt davon die Führer der CDF (Civil Defence Force), auch bekannt als Kamajor, die als Miliz des damaligen und heute immer noch amtierenden Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah Kriegsverbrechen beging. Der vierte Prozess des Tribunals ist der gegen Liberias Expräsident Charles Taylor, der diesen Monat aus Sicherheitsgründen in Den Haag begann.
Das AFRC-Verfahren krankt wie auch andere des Sierra-Leone-Tribunals daran, dass die wichtigsten Verantwortlichen für Kriegsverbrechen fehlen. AFRC-Chef Johnny Paul Koroma, RUF-Chef Foday Sankoh und CDF-Führer Sam Hinga Norman sind alle tot, und es steht die "zweite Garde" vor Gericht. Der einzige hochrangige Bürgerkriegsführer vor Gericht ist der Liberianer Charles Taylor, weswegen dem Prozess gegen ihn eine so zentrale Bedeutung bei der Aufarbeitung der Vergangenheit Sierra Leones zukommt.
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